Es sind sechs Kilometer Herrlichkeit. Sanfte Dünen, weißer Sand, türkis schimmerndes Wasser. Hinter den Dünen Schatten spendende Pinien. Der Strand von Is Arenas im Westen der Insel Sardinien ist ein Urlaubsparadies. Genau das Richtige, um sich von einem kollektiven Trauma wie einer Pandemie zu erholen und nach Monaten der Quarantäne auf andere Ideen zu kommen. „Wir sind bereit“, sagt Barbara Fidelmi,die mit einer Kooperative den Campingplatz Nurapolis betreibt. Er liegt 200 Meter von Is Arenas entfernt. Man geht hier zu Fuß ins Paradies.
Ob der Traum vom Strandurlaub dieses Jahr in Erfüllung geht, steht auf einem anderen Blatt. Bislang gibt es kein grünes Licht für Ferien in Italien, weder für die Italiener noch für Urlauber aus anderen Ländern.
Italien will ab 1. Juni in die Badesaison starten, wenn die epidemiologischen Daten stimmen. Bei weiterhin niedriger Ansteckungsrate sollen zunächst die Einheimischen kommen dürfen, dazu muss das Reiseverbot innerhalb Italiens aufgehoben werden. Wenn es auf europäischer Ebene eine Einigung gibt, könnte es auch noch für Österreicher und Deutsche etwas werden mit einer Fahrt in den Süden.
Die Stammgäste haben noch nicht abgesagt
Fidelmi vom Nurapolis Camping ist zuversichtlich, dass es dazu kommt. Obwohl sie weiß, dass letztlich die Regierung im fernen Rom die Entscheidung treffen wird. „Unser Gelände ist 12 Hektar groß, da gibt es keine Probleme mit den Abständen“, sagt die Sardin. Auch Bar und Restaurant befinden sich auf dem Campingplatz im Freien, was das Abstandhalten leichter macht. „Animation oder Diskothek wird es dieses Jahr wohl nicht geben, es wird ruhiger werden“, sagt Fidelmi. Die Stammgäste hätten nicht abgesagt. Die Preise bleiben gleich. Die Hoffnung, dass der Italienurlaub doch stattfinden kann, ist auf allen Seiten groß.
Jede Region bastelt sich ihr eigenes Korsett
Nun liegt es an der Politik, die Regeln für den Sommerurlaub 2020 festzulegen. Die EU-Kommission hat am Mittwoch entsprechende Empfehlungen verabschiedet. In Italien geht es ein wenig drunter und drüber, jede Region bastelt sich ihr eigenes Korsett in der Erwartung, dass Rom die Leitlinien setzt und bestimmt, wann freie Fahrt zwischen den Regionen oder gar Reisen aus dem Ausland nach Italien möglich werden.
„Auf uns warten äußerst schwierige Monate, aber der Sommer wird nicht in Quarantäne verbracht werden“, kündigte Ministerpräsident Giuseppe Conte an. Während die Zentralregierung eher vorsichtig bei den Lockerungen agiert, drängen Lokalpolitiker auf rasche Öffnungen bereits ab kommenden Montag und preschen mit Ideen vor.
Grund dafür sind die schlimmen wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns vor allem in der Tourismusbranche. Die trägt normalerweise 12 Prozent zum italienischen Bruttoinlandsprodukt bei, also etwa 146 Milliarden Euro. Die Verluste zwischen März und Mai liegen laut Italiens Tourismusverband bereits in Milliardenhöhe. Fallen die Sommerferien flach, droht vielen Unternehmen der Konkurs. Auf Sardinien etwa haben einige Betreiber kleinerer Hotels bereits entschieden, dieses Jahr nicht aufzumachen. Die Kosten für das Personal wären zu hoch angesichts des möglichen Falls, dass vielleicht gar keine oder nur wenige Touristen kommen. Der erste Juni gilt dabei als eine Art Schicksalstag. Dann entscheidet sich, ob die Saison noch gerettet werden kann oder nicht. „Das Leben kann nicht mit dem Virus zu Ende gehen“, sagt Campingplatz-Betreiberin Fidelmi.
Südtirol wagt den Alleingang
Auch Südtirol hat deshalb Eigeninitiative ergriffen. Entgegen den nationalen Vorgaben erlaubte die Landesregierung Hotels und Ferienwohnungen vorzeitig die Öffnung unter Einhaltung aller Hygiene- und Sicherheitsauflagen. Landeshauptmann Arno Kompatscher hofft, dass Touristen aus Deutschland und Österreich bald wieder in die autonome Provinz reisen können. Bis Pfingsten wird es wohl noch nichts, meint er, danach aber schon.
In Friaul-Julisch Venetien, der Nachbarregion Kärntens, erklärte Regionspräsident Massimiliano Fedriga im Interview mit der Kleinen Zeitung schon vor Tagen, man habe alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um Hotels, Gastronomie und die Adria-Strände sofort zu öffnen. Die Anzahl der Gäste an den Stränden werde aber begrenzt sein. Man werde die Liegen und Sonnenschirme mit genügend Sicherheitsabstand aufstellen. Für alle Betriebe, Restaurants, Trattorien und Bars sollen überall dieselben Regeln gelten. Fedriga: „Es muss ein Sicherheitsabstand von mindestens zwei Metern zwischen den Tischen eingehalten werden. Das Servierpersonal wird mit Schutzmasken ausgerüstet und mit Hygienehandschuhen, die regelmäßig gewechselt werden.“
Das Veneto will ab Montag „alles öffnen, was möglich ist,“ sagte Regionalpräsident Luca Zaia. Und auch die Emilia-Romagna und Ligurien haben es eilig. „Es genügt, wenn die Badegäste voneinander Abstand halten“, sagte Regionspräsident Giovanni Toti. Freiwillig könnten sich die Strandurlauber ein elektronisches Armband anlegen, das vibriert, sobald eine andere Person näher als einen Meter kommt. Toti erlaubte bereits die Öffnung von Pensionen und Agriturismi. Ab 18. Mai sollen die Ligurier sich frei durch die Region bewegen dürfen, italienweit ist das weiterhin nicht möglich. Bergsteigen, Reiten, Klettern, Segeln, alles wird wieder erlaubt sein, sofern die Abstände eingehalten werden.
Und dann ist da noch die große Frage, ob in diesem Sommer auch Urlauber aus dem Ausland nach Italien kommen dürfen. Tourismus- und Kulturminister Dario Franceschini machte allen Europäern Hoffnung, die Sehnsucht nach dem Süden haben. „Es ist wichtig, dass die Reisefreiheit von Touristen in der EU möglich ist, sobald die epidemiologischen Daten das möglich machen“, sagte er.
Aus italienischer Sicht ist insbesondere mit Blick auf die schwer getroffene Tourismusbranche eine Öffnung der Grenzen wünschenswert. Dazu bedarf es neben bilateralen Lösungen allerdings europäischer Regelungen. Man bemühe sich bereits um einheitliche Regeln und Bescheinigungen, sagte Franceschini. „Das habe ich zusammen mit vielen anderen europäischen Amtskollegen der EU-Kommission vorgeschlagen.“ Wer derzeit nach Italien einreist, muss zwei Wochen in häusliche Quarantäne. Für den Urlaub ist das nicht gerade eine verlockende Aussicht.
unserem Korrespondenten Julius Müller-Meiningen