Es waren schwere Geschütze, die der Arbeitersamariterbund da gegen die größere Konkurrenz auffuhr. Franz Schnabl, SPÖ-Chef in Niederösterreich und zugleich Präsident des Arbeitersamariterbundes, warf dem Roten Kreuz vor, von der Regierung aus parteipolitischen Erwägungen bei der Bekämpfung der Folgen des Coronavirus bevorzugt zu werden. Das Rote Kreuz verteile Masken, Schutzanzüge und Zivildiener, es entwickle auch die Corona-App, die der Regierung bei der langsamen Öffnung nach dem Shutdown helfen soll. Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Thomas Drozda nannte die NGO gar ein „Trojanisches Pferd der Regierung“.
Gerald Schöpfer, Professor für Wirtschaftsgeschichte und nach einem Abstecher in die Politik in den Reihen der ÖVP seit 2013 Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes, weist die Vorwürfe kategorisch zurück. Neutralität und Unabhängigkeit seien tragende Grundsätze seiner Organisation, die es seit 140 Jahren gebe. „Wir haben bei jeder größeren Katastrophe in führender Position mitgeholfen, ganz gleich, wie die Regierung gestrickt war“, sagt Schöpfer im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Das Rotkreuz-Gesetz verpflichte seine NGO, der Regierung in Notfällen beizustehen. „Und das tun wir, egal, was passiert.
Katastrophen haben kein politisches Mascherl, wir auch nicht"
Zum Vorwurf der Parteilichkeit weist Schöpfer auf die organisationsinternen Spielregeln hin, welche die Unvereinbarkeit von Führungspositionen in der Politik mit jenen in seiner Hilfsorganisation vorsehen. Eben diese Regel gelte beim Arbeitersamariterbund, der dem Roten Kreuz Parteinähe vorwarf, nicht. Außerdem weist Schöpfer darauf hin, dass sein Stellvertreter Peter Ambrozy „zum Urgestein der SPÖ gehört“. In Präsidiumssitzungen merke man im Übrigen den politischen Hintergrund der Teilnehmer nicht, sagt Schöpfer. „Die Katastrophen haben kein politisches Mascherl – und wir auch nicht.“
Als Beispiel für die Unabhängigkeit seiner Organisation führt Schöpfer die Forderung des Roten Kreuzes an, auch Österreich möge Flüchtlingskinder von griechischen Inseln aufnehmen. In der Vorwoche habe er die Weigerung, bei der Verteilung der Kinder mitzumachen, eine Schande genannt und gefordert, wenigstens symbolisch zwanzig oder dreißig Kinder in Österreich aufzunehmen. „Damit hat die Regierung keineswegs eine Freude, aber das sind unsere Standpunkte, die wir vertreten, gleich, welche Regierung gerade am Ruder ist.“
"Es gibt ein gutes Miteinander"
Warum seine Organisation zentrale Aufgaben überantwortet bekomme, liege nicht an parteipolitischer Bevorzugung, sondern an deren guter Vorbereitung. Das Rote Kreuz habe Katastrophenpläne entwickelt und sei mit seinen 72.000 freiwilligen Helfern sehr leistungsstark. 80 Prozent des Rettungsdienstes in ganz Österreich werden vom Roten Kreuz abgewickelt. 2015 habe seine Organisation gezeigt, dass sie in kürzester Zeit Tausende Menschen aufbieten könne.
„Es gibt ein gutes Miteinander“, sagt Schöpfer überrascht über den Angriff und weist darauf hin, dass die anderen Organisationen auch im Katastrophenstab eingebunden sind. Dass das Rote Kreuz die Verteilung der Schutzmasken abwickelt, hängt seiner Ansicht nach damit zusammen, „dass wir in jedem Bundesland eine Katastrophenhalle haben“. Dort werde vorgehalten, was in Katastrophen vonnöten sei.
Schöpfer verteidigt die Stopp Corona App
Vehement verteidigt Schöpfer die von Schnabl kritisierte „Stopp Corona“-App. „Wir haben nie behauptet, dass diese App ein Allheilmittel ist. Es ist vollkommen klar, dass sie nur ein Hilfsmittel ist, das dazu beitragen kann, die Infektionskette zu stoppen.“ Die übrigen Regeln müssten natürlich trotzdem eingehalten werden. „Wir sind die Einzigen in Europa, die so etwas in gebrauchsfertiger Form entwickelt haben“ sagt Schöpfer stolz und betont die Wichtigkeit der Freiwilligkeit. „Wenn das Wort Zwang im Zusammenhang mit Big Data vorkommt, ist es verständlich, dass dann alle die Haare aufstellen.“
Zur Kritik an der Finanzierung der App durch die Uniqa-Stiftung sagt Schöpfer: „Ich verbürge mich mit allem, womit ich mich verbürgen kann, dass die Uniqa von uns überhaupt keine Daten bekommt.“ Die Versicherung habe die App gesponsert, weil sie von diesem Konzept überzeugt gewesen sei, habe aber keinen Zugang zu den Daten. „Der Datenschutz ist so gewährleistet, dass nicht chinesische Verhältnisse entstehen“, versichert Schöpfer.
Thomas Götz