Die Regierung gerät zunehmend ins Visier ihrer Kritiker, die die Corona-Maßnahmen als juristisch problematisch erachten. Wie sollte die Regierung darauf reagieren?

BERND-CHRISTIAN FUNK: Die Einstellung des Gesundheitsministers ist wohltuend: Er ist bereit, der Sache auf den Grund zu gehen, sich beraten zu lassen, Fehler zu korrigieren. Damit steht er aber ziemlich alleine da. In der Umgebung des Kanzlers herrscht  offenbar immer noch die Meinung vor, es müsse rasch gehandelt werden und der Rechtsstaat komme erst an zweiter Stelle.

Zieht das Argument von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, es wäre zu wenig Zeit dafür gewesen, den Verfassungsdienst zu beschäftigen?

Nein. Der Verfassungsdienst ist es gewohnt, sich sehr rasch äußern zu müssen. Die zeitliche Knappheit ist keine Rechtfertigung. Es spricht manches eher dafür, dass man gemeint hat, man wolle das jetzt einfach genau so machen, und der Rat, allenfalls auch die Kritik des Verfassungsdienstes könnten störend sein.

Wie kann man das jetzt noch reparieren?

Ich empfehle der Regierung, im Rahmen der gebotenen Eile so weit wie möglich juristischen Rat zu suchen, beim Verfassungsdienst, in der Finanzprokuratur. Auch wenn es dabei zu „natürlichen Konflikten“ kommen könnte, etwa zwischen dem Verfassungsdienst, der dem Kanzleramt und Edtstadler untersteht, und dem Gesundheitsministerium, das nur eingeschränkt über juristische Expertise verfügt. Innerhalb einer kooperativen Koalitionsregierung wäre es jedenfalls im Interesse der Sache, wenn Gesundheitsminister Rudolf Anschober von Verfassungsdienst und Kanzleramt entsprechend in seinem Handeln unterstützt würde, aber ich sehe da schon das Heraufdämmern eines Konflikts, der vermutlich unausweichlich ist.

Welches Konfliktes konkret?

Es geht dabei um die politische Profilierung, darum, wo die Machtzentren dieser Koalition angesiedelt sind. Früher oder später ist ein Machtkampf unausweichlich.

Wundert es Sie da nicht, dass sich Anschober zumindest bis jetzt nicht gewehrt hat dagegen, dass ihm vom Kanzleramt die Schuld zugewiesen wird?

Ich habe den Eindruck, alle, die hinter die Kulissen blicken, sehen ohnehin, was da gespielt wird. Es handelt sich da wohl in erster Linie um ein Ablenkungsmanöver. Bei einigen Ministern besteht ja die Bereitschaft, dem Kanzler ung’schaut die Mauer zu machen, das ist fast schon ein Reflex.

Ist der Verfassungsdienst nun zuständig, oder nicht?

Es war für mich überraschend, dass Edtstadler versucht, sich mit der Berufung auf eine Nicht-Zuständigkeit aus der Affäre zu ziehen. Der Verfassungsdienst ist im Kanzleramt angesiedelt, und auch wenn er als Sektion formal weisungsabhängig ist, ist er traditionell als unabhängig agierende Einrichtung anerkannt. Es hat immer wieder Zeiten gegeben, in denen die Einschätzungen des Verfassungsdienstes einzelnen Regierungsmitgliedern nicht angenehm gewesen sind, aber was ich zum ersten Mal erlebe ist, dass man sagt, Verordnungen und Erlässe gehen den Verfassungsdienst gar nichts an, sondern tangieren nur ein einzelnes Ressort. Das ist offenbar ein Ausdruck des schlechten Gewissens.