Schneller werden wollen die Behörden beim sogenannten "Kontaktpersonen-Management". Binnen 24 Stunden soll künftig erarbeitet werden, welche Kontakte eine neu mit dem Corona-Virus infizierte Person hatte. Die Befragungen sollen von Polizisten durchgeführt werden, von Befragungsspezialisten des Landeskriminalamtes, betonte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). "Wir sind der Sicherungshebel, der umgelegt wird, um neue Infektionsketten rasch zu durchbrechen."
Nehammer betonte, dass die Daten bei den Gesundheitsbehörden bleiben. Aber: "Jetzt zählt die Geschwindigkeit." Man agiere dabei immer im Auftrag der Gesundheitsbehörden und nehme den Kontakt mit der infizierten Person auf, um Kontakte und Wege zu ermitteln. Es müsse dafür auch noch eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen werden.
Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) ergänzte, jede Landessanitätsdirektion werde für sich entscheiden, ob dieses Angebot der Polizei angeboten werde.
Die Kontaktaufnahme soll primär telefonisch erfolgen. Sollte das nicht möglich sein, dann werden Beamte mit Schutzausrüstung die Befragungen durchführen, sagte Nehammer. Die Befragung der erkrankten Person erfolgt standardisiert und strukturiert mit einem Fragebogen der Gesundheitsbehörden. Die Fragen beziehen sich vor allem auf mögliche Kontaktpersonen bzw. Personen, die unter Umständen infiziert worden sind.
Positive Anwendungen von diesem "Contact Tracing" habe es bereits in Oberösterreich und der Steiermark gegeben, wo über Ersuchen der Gesundheitsbehörden mehrere hundert Personen befragt wurden, sagte Nehammer. So seien beispielsweise in Oberösterreich mehr als 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens sowie in der Steiermark Patientinnen und Patienten einer praktischen Ärztin kontaktiert worden.
"Glutnester" und "Flex"
Scharfe Kritik übt der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried an der Wortwahl des Innenministers in seiner heutigen Pressekonferenz mit dem Gesundheitsminister. Ein Innenminister sollte wissen, was er sagt. „Es ist Sache der Gesundheitsbehörde, Corona-Infizierte zu identifizieren, keinesfalls jedoch der Sicherheitsbehörde“, so Leichtfried. Aussagen wie „die Polizei wird Corona-Infizierte aufspüren“ und „Die Glutnester der Infektionen müssen rasch lokalisiert und gezielt gelöscht werden“ sind absolut abzulehnen.
Niemand, der mit Corona infiziert wurde, wann, wie auch immer, hat sich etwas zu Schulden kommen lassen. Infizierte Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger oder Insassen von BewohnerInnen in Pensionistenheimen „als Glutnester, die gezielt gelöscht werden müssen“ zu bezeichnen, sei mehr als inakzeptabel. „Politprofi Nehammer sollte wissen, was derartige Aussagen bewirken. Noch dazu, wenn er seine Behörde, die Polizei „als Flex der Gesundheitsbehörde“ bezeichne“, so Leichtfried.
"Infizierte sind keine Kriminellen"
Auch FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ist skeptisch: „Infizierte sind keine Kriminellen. ÖVP-Innenminister Nehammer geht aber offenbar davon aus, dass alle Österreicher bei ihren Gesundheitsangaben lügen und deshalb von Verhörspezialisten zu befragen seien.“
Mögliche Infektionsketten zu lokalisieren und diese zu durchbrechen, sei legitim und richtig. Warum die Gesundheitsbehörden – angesichts der positiven Entwicklung bei den Infizierten-Zahlen und der großen Disziplin der Bevölkerung – jetzt plötzlich Kriminalbeamte brauchen sollten, um mit dem Coronavirus infizierte Personen zu befragen, sei sachlich nicht begründbar. „Offensichtlich setzen Kurz, Nehammer und Co. weiterhin auf eine Politik der Panikmache und Verunsicherung“, so Kickl.
Denn natürlich mache es für einen Bürger einen Unterschied, ob jemand von einer Gesundheitsbehörde anruft oder ein Polizist, noch dazu einer, der auf Verhörtechniken geschult ist. Das erzeuge unnötige Panik und komme einer Kriminalisierung gleich. Der FPÖ-Klubobmann schlug daher vor, für diese Aufgabe, wenn die Gesundheitsbehörden personell tatsächlich überfordert sein sollten, Zivildiener einzusetzen. Die Befragung der erkrankten Person erfolge laut Regierung ja ohnehin standardisiert mit einem Fragebogen der Gesundheitsbehörden.
Zivildiener oder Hausärzte
Auch SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher übt Kritik am am Vorstoß des Innenministers, dass auch Polizisten „Contact Tracing“ machen sollen: „Die Polizei hat Sicherheitsaufgaben wahrzunehmen, es ist nicht ihre Aufgabe, Contact Tracing zu machen." Wenn die Gesundheitsbehörden hier Unterstützung benötigten, könnte das von den HausärztInnen gemacht werden. „Die haben guten Kontakt zu ihren PatientInnen, kennen die Familienverhältnisse und unterliegen der Schweigepflicht“, so Kucher.