Die Veröffentlichung der EU-Strategie sei kein Signal, dass die Auflagen bereits aufgehoben werden könnten, betonte von der Leyen. Die Empfehlungen sollten nur ein Rahmen für die Entscheidungen der EU-Staaten sein. Diese hatten bei Einführung der Beschränkungen weitgehend auf eigene Faust gehandelt und zum Beispiel mit strikten Grenzkontrollen für Ärger bei den Nachbarn und Lieferverzögerungen im EU-Binnenmarkt gesorgt.
Nun sollten sie sich aus Brüsseler Sicht zumindest für den Weg zurück auf eine Linie einigen. Ob die EU-Staaten mitmachen, ist offen. Einige haben bereits eigene Schritte eingeleitet oder konkret angekündigt.
Die EU-Strategie nennt drei wesentliche Voraussetzungen für den Beginn der Öffnung: eine spürbare Verlangsamung der Ausbreitung des Virus, genügend Krankenhaus- und Intensivbetten und die Möglichkeit, die Ausbreitung des Virus wirksam zu überwachen, zum Beispiel mit groß angelegten Testreihen und technischen Hilfsmitteln wie Smartphone-Apps.
Die überall in der EU verhängten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen haben laut EU-Kommission entscheidend geholfen, die Zahl der Coronavirus-Infektionen zu begrenzen. Nach Einschätzung der Behörde wurden so Millionen Menschenleben in Europa gerettet. Denn ohne Beschränkungen könne jeder Infizierte vier bis sechs andere Personen anstecken, erläuterte ein EU-Beamter.
Nur in kleinen Schritten
Für die Öffnung selbst empfiehlt die EU-Kommission ein Vorgehen in kleinen Schritten unter strenger Kontrolle der Auswirkungen. Die Staaten sollten im Kleinen beginnen, also in Dörfern oder Städten, und dies dann regional ausweiten. Risikogruppen wie ältere Menschen sollten länger geschützt werden. Infizierte mit leichten Symptomen sollten unter Quarantäne bleiben.
Politisch empfiehlt die Strategie eine schrittweise Rücknahme von Sonder- und Notstandsrechten der Regierungen sowie eine schrittweise und koordinierte Aufhebung der innereuropäischen Grenzkontrollen. In einem zweiten Schritt sollten dann die Einreisebeschränkungen für Nicht-EU-Bürger gelockert werden.
Von der Leyen machte allerdings deutlich, dass sie nicht mit einem schnellen Ende der Grenzkontrollen in Europa rechne, sondern nur "auf lange Sicht". Deutschland zum Beispiel verlängert die Kontrollen nach Angaben aus Sicherheitskreisen um weitere 20 Tage bis 4. Mai, Österreich kontrolliert seine Grenzen zu den Nachbarländern bis auf Tschechien und die Slowakei vorerst bis 27. April.
Zum Tragen eines Mundschutzes gab von der Leyen keine eindeutige Empfehlung ab. Dies könne helfen, die Verbreitung des Coronavirus zu reduzieren. Sehr wichtig sei jedoch, dass dies nicht andere Hygienemaßnahmen ersetze, sagte die CDU-Politikerin. Um die Pandemie wirklich zu beenden, sei die Entwicklung eines sicheren und wirksamen Impfstoffs unerlässlich, heißt es in dem EU-Papier weiter. Um dafür Geld zu sammeln, kündigte von der Leyen für den 4. Mai eine internationale Online-Geberkonferenz an.
Ein weiteres Thema bei der Präsentation am Mittwoch war die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel für die wirtschaftliche Bewältigung der Corona-Krise. "Wir sprechen hier nicht über Milliarden, wir sprechen über Billionen", sagte EU-Kommissionschefin von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Das richtige Mittel für die "riesigen Investitionen" sei das EU-Budget.
Von der Leyens Vize Valdis Dombrovskis hatte zuletzt bereits erkennen lassen, wie das finanziert werden soll: über Anleihen, die die EU-Kommission aufnehmen will und für die die EU-Staaten bürgen müssten. Ob und wie sich solche Anleihen von den umstrittenen Corona-Bonds unterscheiden, ließ Dombrovskis offen. Diese lehnen unter anderem Österreich und Deutschland ab, von Italien, Spanien und Frankreich werden sie gefordert. Das EU-Parlament will sich am Donnerstag in einer Resolution für Corona-Bonds aussprechen. Als Garantie für die Wiederaufbau-Anleihen soll das EU-Budget dienen.