Der Papst, am Karfreitag einsam auf dem menschenverlassenen Petersplatz. Der Kreuzweg findet unter normalen Umständen am Kolosseum statt, Tausende schauen zu. Doch heuer ist alles anders. Der Papst ist dieses Jahr zu Ostern so gut wie allein. Zwei kleine Gruppen schreiten die Kreuzweg-Stationen in diesem Jahr auf dem Petersplatz ab. Franziskus steht vor der Kirche. Was er wohl denkt?
Einsam feierte Franziskus schon Ende März eine Andacht auf dem Petersplatz, die Seuche war der Anlass. Es regnete, Fackeln loderten im Abendwind. Dann der Palmsonntag, Franziskus wieder ganz auf sich gestellt, diesmal im Petersdom. Nur drei Stuhlreihen waren aufgestellt, ein Kardinal, ein Bischof, ein paar Ordensschwestern feierten mit. Am Gründonnerstag die gleiche Szene. Die Fußwaschung fiel aus, so viel Nähe lässt das Virus nicht zu.
Leere, wenig Brimborium, ein karges Ostern. Das Fest von der Passion Christi und der Auferstehung, der zentralen Botschaft des Christentums, gibt es nur vor dem Fernseher. So etwas hat es noch nicht gegeben.
Gut zehntausend Feierlichkeiten und Prozessionen wurden in Italien abgesagt, unzählige sind es auf der ganzen Welt. Behördlich sind Menschenansammlungen wegen der Ansteckungsgefahr bis auf Weiteres verboten, das gilt auch für die Osterfeierlichkeiten. Weil für manche der Gottesdienst ohne das Volk Gottes aber nicht vorstellbar ist, durchbrachen hier und da besonders eifrige Priester die Quarantäne. In Filadelfia, Kalabrien, feierte ein Priester Messe und teilte mir nichts dir nichts die Hostie an die Gläubigen aus. In Frascati bei Rom verstieß sogar Bischof Raffaele Martinelli höchstpersönlich zusammen mit 50 Gläubigen gegen das Versammlungsverbot. 206 Euro Strafe kostete ihn das.
Es gibt aber auch Fälle, in denen aus der Not eine Tugend gemacht wurde. Don Antonio Lauri, Pfarrer der Gemeinde San Gabriele dell’Addolorata im römischen Viertel Tuscolana, hatte zum Palmsonntag die Idee, die Chrisammesse auf dem Dach der Pfarrkirche zu feiern. Die Feier wurde im Streaming übertragen, aber das war vielen Gläubigen offenbar nicht genug. Sie versammelten sich an den Wohnungen in der Nähe der Kirche, lehnten sich aus den Fenstern und feierten auf diese Weise mit ausreichendem Abstand mit. Spirituelle Not macht erfinderisch.
Lachen als Auferstehung? Auch das ist eine Möglichkeit.
Das gilt auch für die Priestergemeinschaft von San Gabriele in Rom. Die Kollegen von Don Antonio starteten eine Sitcom auf Youtube. Sie spielen den Alltag aus ihrer Wohngemeinschaft mit einiger Selbstironie nach. Man sieht die Priester beim Putzen, Kochen und Pizzabacken. „Wir wollen zeigen, dass es auch im Ausnahmezustand Gutes gibt“, sagt einer der Priester. „Es geht nicht nur ums Überleben, sondern auch ums Leben. Wir wollen raus aus der Routine und zeigen, was wirklich wichtig ist.“ Lachen als Auferstehung? Auch das ist eine Möglichkeit.
Die Quarantäne hat Potenzial. Das hat auch Papst Franziskus erfahren, als er Anfang April ausnahmsweise in den Hauptnachrichtensendung TG1 eine fünfminütige Ansprache an die Italiener halten durfte. So etwas kommt nicht alle Tage vor. Franziskus sprach davon, dass jetzt die Zeit sei, „ein besseres Morgen vorzubereiten“. Dann wünschte er den Fernsehzuschauern einen guten Appetit. In den Genuss päpstlicher Worte kommen seit Beginn der Pandemie alle, die sich jeden Morgen um sieben Uhr zur Frühmesse im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zuschalten. Nicht nur der Vatikan, sogar zwei italienische Fernsehsender übertragen die Bilder aus der funktionalen Kapelle live.
Risikopatient Nummer eins im Vatikan ist der Papst
Auch hier ist Franziskus inzwischen weitgehend allein. Publikum ist nicht mehr zugelassen. Acht Covid-19-Fälle wurden bislang im Vatikan festgestellt, der 66 Jahre alte Generalvikar der Diözese Rom, Angelo De Donatis liegt an Covid-19 erkrankt im Krankenhaus. Risikopatient Nummer eins ist der Papst höchstpersönlich. Franziskus ist 83 Jahre alt, seine Lunge ist nach der Entfernung eines Stücks des rechten Lungenflügels zur Jugendzeit in Mitleidenschaft gezogen. Die Vorkehrungen sind nicht zuletzt zu seinem Schutz so intensiv.
Am Sonntag wird Franziskus die Ostermesse im Petersdom feiern, weitgehend auf sich gestellt. Dann wird er den Segen „urbi et orbi“ erteilen, ohne Gläubige, Bischöfe, Erzbischöfe, Kardinäle, ohne Händeschütteln und Wangenküsse. Franziskus’ Almosenverwalter, Kardinal Konrad Krajewski, hat den Kardinälen und Bischöfen, die nicht im Petersdom anwesend sein können, einen anderen Weg empfohlen, wie sie dem Papst ihre Verbundenheit bekunden könnten. Sie sollen sich an einer Spendensammlung zur „Linderung des gesundheitlichen Notstands“ beteiligen.
unserem Korrespondenten Julius Müller-Meiningen