Heute Vormittag werden Kanzler und Vizekanzler ein weiteres Mal vor die Presse treten. Begleitet von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) werden Sebastian Kurz und Werner Kogler bis zuletzt Zahlen evaluieren, Fachmeinungen einholen und Krisenszenarien erörtern, bevor sie mit ihren Vermutungen in die Öffentlichkeit gehen, um Sicherheit zu vermitteln in einer Zeit, in der es keine Sicherheiten gibt.
Wir übertragen die Pressekonferenz live ab 11 Uhr.
Die Vierer-Partie ist in Österreichs Wohnzimmer eingezogen. Nahezu täglich gibt es eine Live-Pressekonferenz. Die Frage, die im Moment alle bewegt: Wie geht es weiter nach Ostern? Denn dass das Osterfest heuer keine Zeit der Begegnung sein wird, dass Schinken und Eier im trauten Heim verspeist werden müssen und nicht im Rahmen des gewohnten Familienfests, dass die Fleischweihe zuvor nur Online erfolgen kann, das ist inzwischen allen klar.
Keine Lockerung
In den gestrigen Abendstunden kamen die Experten zu einer neuerlichen Krisensitzung im Kanzleramt zusammen. Gegenüber der Kleinen Zeitung verlautete, die Lage bleibe ernst. „Nach einer Lockerung sieht es derzeit nicht aus, eher nach weiteren Maßnahmen.“ Auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) dämpft im Ö1-Morgenjournal die Erwartungen: Ein Ende der Maßnahmen sei nicht absehbar,
Es sind die Zahlen, zu denen alles drängt, an denen alles hängt. Alles ist messbar – das war schon bisher Illusion. Was uns jetzt zunehmend irritiert: Auch das, was messbar ist, lässt keine eindeutigen Schlüsse zu.
Zwei Wochen Ausnahmezustand in Österreich und in der Welt sind vorüber. Zwei Wochen, in denen sich die Koordinaten für uns alle in einer Weise verändert haben, wie wir es nie für möglich gehalten hätten.
Neue Art von Bürogemeinschaft
Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen, teilen mit der Familie nicht nur Tisch und Bett, sondern finden uns plötzlich in einer neuen Art von Bürogemeinschaft wieder.
Wir erledigen den Einkauf mit schlechtem Gewissen und nicht mit der üblichen Freude am Konsum, begleitet von der Sorge, mit dem Bedrohlichen in Berührung zu kommen und gleichzeitig gierig darauf, Frischluft zu schnuppern.
Freizeit mit neuer Leere
Wir stellen uns darauf ein, monatelang zu Kurzarbeit verdammt zu sein, im Wissen darum, dass die Freizeit mit einer neuen Leere verbunden ist, die erst gefüllt werden will. Andere wären froh, könnten sie mit Kurzarbeit überdauern, sie haben bereits das Kündigungsschreiben in der Hand.
Wie lange wird dieser Zustand noch andauern? Und wie wird es funktionieren, dieses „langsame Hochfahren nach Ostern“, das die Politik verhieß? Die Zahlen verheißen keinen konkreten Plan. Noch sind die Ansteckungsraten hoch. Noch ist der Virus höchst präsent, obwohl sich die meisten Menschen an alle Vorschriften halten. Und selbst wenn die Zahl der Infizierten langsamer wächst, ist keine Entspannung in Sicht. Viele Experten meinen, ein Lockern der Beschränkungen würde eine neue Welle an Erkrankungen, erst recht eine Überlastung des Gesundheitssystems bewirken.
Kurz und Kogler sind nicht zu beneiden. Die geplante Pressekonferenz am vergangenen Freitag wurde verschoben, man hoffte, dass sich übers Wochenende ein Trend abzeichnet, aus dem eine Perspektive werden kann. Heiligenblut ist nicht länger in Quarantäne. Am Bau darf gearbeitet werden, wenngleich unter strengsten Auflagen. Die Lebensmittelketten können auf den Einsatz der Soldaten verzichten, weil sich die Versorgungslage stabilisiert. Das jüngste Hilfspaket der Regierung sichert die Auszahlung der nächsten Gehälter.
Nur Lichtblicke, kein Ende
Kleine Lichtblicke, noch lange kein Licht am Ende des Tunnels. Vom „Hochfahren“ des Systems nach Ostern kann vermutlich keine Rede sein, nur von kleinen Schritten in die richtige Richtung.
Vielleicht dürfen einzelne Geschäfte öffnen, aber der einzelne muss sich noch besser schützen als bisher.
Vielleicht können an den Bildungsinstituten vereinzelt Prüfungen abgenommen werden, aber der Massenbetrieb an Schulen und Unis muss warten.
Vielleicht stecken sich weniger Leute als bisher neu an, aber die Gesundheitsversorgung steht dennoch auf dem Prüfstand und insbesondere Ältere bleiben in Gefahr.
Vielleicht profitieren Unternehmen und Arbeitnehmer von der unfreiwilligen digitalen Professionalisierung, aber fürs erste geht es um die nackte Existenz.
Der Frühling erwacht und in den Gärtnereien verwelken die Blumen. Ein Symbol für das, was uns noch bevorsteht.
Claudia Gigler