Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Küstenwache seines Landes angewiesen, Boote mit Migranten an der Überfahrt nach Griechenland zu hindern. Auf "Anordnung des Präsidenten" werde keine Erlaubnis zum Überqueren der Ägäis mehr erteilt, teilte die Küstenwache am Freitagabend im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Zur Begründung verwies sie auf die "Gefahren" der Überfahrt.

Die Küstenwache stellte zugleich klar, dass das neue Vorgehen in der Ägäis keinen Kurswechsel in der Flüchtlingskrise darstelle. Die Türkei hindere weiterhin keine Migranten daran, das Land auf eigenen Wunsch zu verlassen. Die Anordnung beziehe sich nur auf die Überfahrten durch die Ägäis.

Spannungen in Ägäis

Die türkische Wasserpolizei soll in der Ägäis ein griechisches Boot der Küstenwache abgedrängt und dabei riskante Manöver vollführt haben. Griechische Medien veröffentlichten entsprechende Videoaufnahmen. An der türkisch-griechischen Grenze wurde Tränengas eingesetzt.

Ein auf Lesbos stationierter griechischer Wasserpolizist bestätigte am Samstag den Küstenwachen-Vorfall vom Vortag. "Die wollten uns rammen", sagte er. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wies nach Öffnung der Grenzen seines Landes zur EU die Küstenwache an, Migranten nicht mehr mit Booten die Ägäis durchqueren zu lassen.

Gemeint ist die Überfahrt nach Griechenland, also in die EU. "Illegale Migranten-Überfahrten durch die Ägäis sind wegen der Risiken nicht erlaubt (...)", heißt es unter Berufung auf eine Anweisung des Präsidenten in einer Stellungnahme der türkischen Küstenwache. Nach wie vor belagern Migranten allerdings die Landgrenze zu Griechenland.

In dem Text auf ihrer Webseite beschuldigt die türkische Küstenwache Griechenland, Flüchtlingsboote in Gefahr zu bringen. Sie habe am 5. März 97 Migranten von drei Booten gerettet, die von Griechenland halb gesunken zurückgelassen worden seien. Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis nannte es völlig inakzeptabel, beschuldigt zu werden, Migranten in Zeiten großer Not nicht anständig zu behandeln. "Griechenland hat während der gesamten (Flüchtlings-)Krise seine Menschlichkeit bewiesen." Das Land habe über Jahre seine Häuser und Herzen für die Flüchtlinge geöffnet.

Verhandlungen in Brüssel

Erdogan hatte vergangene Woche nach der Eskalation der Lage in der nordsyrischen Provinz Idlib die Grenzen zur EU geöffnet. Dies sorgte für einen starken Flüchtlingsandrang an der türkisch-griechischen Grenze und führte zu neuen Spannungen zwischen Ankara und Brüssel. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprachen am Dienstag von "Erpressungsversuchen", denen die EU nicht nachgeben dürfe.

Erdogan wird laut der deutschen Zeitung "Die Welt" am Montag zu Gesprächen über den Flüchtlingsstreit in Brüssel erwartet. Wie eine Sprecherin der deutschen Bundesregierung am Freitagabend mitteilte, telefonierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Nachmittag mit Erdogan. Dabei sei es auch um die Lage an der türkisch-griechischen Grenze gegangen.

Die EU und die Türkei hatten im März 2016 ein Flüchtlingsabkommen geschlossen, nachdem 2015 hunderttausende Flüchtlinge über die Balkan-Route nach Mitteleuropa gekommen waren. Ankara verpflichtete sich, alle auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen und stärker gegen Schlepperbanden vorzugehen. Die EU versprach der Türkei im Gegenzug Milliardenhilfen, eine beschleunigte Visa-Erleichterung und die Modernisierung der Zollunion.