Im Wahlkampffinale erneuerte SPÖ-Chefin und Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner das Wahlziel der Sozialdemokraten Nummer eins zu werden. Auch wenn Umfragen die ÖVP klar in Führung sehen und die SPÖ eher im Kampf mit der FPÖ um Platz zwei gesehen wird, verweist Rendi-Wagner auf die vielen Unentschlossenen: Diese Gruppe sei eine große, es gehe um bis zu eine Million Menschen im Land. "Ich spüre ein wachsendes Interesse der Menschen an Lösungen für die Probleme ihres Alltags", so Rendi-Wagner. Die einzige Umfrage, die sie interessiere, sei der Wahltag am 29. September. Es gehe ihr darum, "dass es zu keiner Fortsetzung der Ibiza-Koalition" zwischen Volkspartei und FPÖ komme. Österreich brauche aus ihrer Sicht einen "Politikwechsel".
Auf mögliche Koalitionsspekulationen wollte sich Rendi-Wagner nicht einlassen, sie schloss unter Verweis auf das Ibiza-Video, "rechtsextreme Einzelfälle" und das Rattengedicht aber einmal mehr Gespräche mit der FPÖ aus.
Koalitionsgespräche mit VP nicht ausgeschlossen
Vor dem Hintergrund des vor wenigen Tagen sehr emotional ausgefallenen TV-Duells mit Sebastian Kurz wurde Rendi-Wagner auch auf ihr Verhältnis zum VP-Chef angesprochen. Sie spricht von einem "professionellen Verhältnis", räumt auf Nachfrage aber ein, dass ihr persönliches Verhältnis zu Kurz "derzeit nicht sehr innig" sei. Sie kritisiert "den Umgang von Kurz mit der Wahrheit" und führt u. a. an, dass die ÖVP noch vor Kurzem eine Abschaffung der Makler-Gebühren für Mieter in Aussicht gestellt habe, nun aber dem entsprechenden SPÖ-Antrag nicht zugestimmt habe.
Sie bekräftigte hier den Vorwurf, Kurz habe vor einer TV-Konfrontation seinen Sprecher angewiesen, Medien über die Erkrankung von FP-Chef Norbert Hofer zu informieren: "Das war vor meinen Augen." Auch dass Kurz mal angibt, aus Wien zu stammen, mal aus dem Waldviertel, führte sie gegen ihn ins Treffen.
Kann es ob dieser Spannungen auf "menschlicher Ebene" überhaupt zu Koalitionsgesprächen mit der ÖVP kommen? Rendi-Wagner betont, dass aus ihrer Sicht eine "professionelle Herangehensweise" gefragt sei. "Persönliche Befindlichkeiten haben da nichts zu suchen."
Mindestlohn von 1700 Euro gefordert
Sollte es zu Gesprächen kommen, gehe es nur um Inhalte. Als wichtige Punkte seitens der SPÖ führt sie u. a. eine rasche Steuerentlastung für Arbeitnehmer, ein Schließen der Lohnschere bei Männer- und Fraueneinkommen sowie ein Maßnahmenbündel für das Klima wie etwa einen Klima-Bonus für Pendler, Klima-Tickets im öffentlichen Verkehr und eine Klima-Maut für LKW an. Das seien aus ihrer Sicht wichtige Zukunftsinvestitionen. "Die Arbeit gehört entlastet". Rendi-Wagner fordert zudem einen Mindestlohn von 1700 Euro. Es gehe auch darum, die Wirtschaft steuerlich zu unterstützen, Unternehmen, die investieren sollen steuerliche Anreize erhalten und mit einer Milliarde Euro entlastet werden. Mit dem KMU-Bonus sollen kleine und mittlere Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen bevorzugt werden.
Bei der Gegenfinanzierung sei die einst von ihrem Vorgänger Christian Kern angesprochene "Wertschöpfungsabgabe" vulgo "Maschinensteuer" kein Schwerpunkt. Eine Vermögenssteuer indes sehr wohl, sehr Vermögende mit mehr als einer Million Euro sollen 0,5 Prozent an vermögensbezogener Steuer zahlen.
Um inhaltliche Positionen durchsetzen zu können, brauche sie freilich "eine Stärkung durch den Wähler".
"Parteispenden an sich nichts böses"
Die Kritik des Rechnungshofs an den kurz vor dem Start des Wahlkampfs beschlossenen neuen Regeln zu Parteispenden "nehme sie ernst", so Rendi-Wagner. Dennoch sei es wichtig gewesen, noch vor dem Wahlkampf "ein Stoppschild" für zu hohe Parteispenden aufzustellen, gerade nach dem Ibiza-Video, "dem Tiefpunkt der politischen Moral". Der Beschluss wurde aus ihrer Sicht "nicht aus der Hüfte geschossen". Der Umstand, dass ausgerechnet die Umgehung durch Vereinskonstruktionen, die im Ibiza-Video ja eine Schlüsselrolle gespielt haben, weiterhin möglich ist, lässt sich aus ihrer Sicht lösen. Rende-Wagner plädiert für eine Expertengruppe, die sich dem Thema Transparenz annimmt, um eine "nachhaltige Lösung" zu finden. Ein Komplettverbot von Parteispenden sei aus "demokratiepolitischen" Gesichtspunkten nicht zielführend. Sonst hätten ganz neue politische Parteien, die noch keine Förderungen erhalten, ein Problem. Parteispenden seien an sich nichts böses, wenn sie nicht zu hoch sind.
Frage der Gerechtigkeit
Verteidigt hat Rendi-Wagner die Nationalratsbeschlüsse im "freien Spiel der Kräfte", trotz der damit verursachten Mehrkosten. Sowohl die höhere Erhöhung geringer Pensionen als auch die Wiedereinführung der "Hackler-Regelung" sei eine Frage der Gerechtigkeit. Nicht unterstützt wird von ihr die Forderung des früheren SP-Bundesgeschäftsführers Max Lercher nach dem kommunalen Wahlrecht für Ausländer. Das sei verfassungsrechtlich nicht möglich, so die Parteichefin.