So viel Andrang bei der Untersuchungskommission zum Wiener Krankenhaus Nord war selten: Grund dafür war die Ladung von Altbürgermeister Michael Häupl (SPÖ), der sich am Dienstagvormittag den Fragen des Gremiums zu dem aus dem Ruder gelaufenen Großprojekt stellen musste. Und Häupl machte dabei relativ schnell klar, dass er sich für einzelne Verfehlungen nicht verantwortlich sieht.
Seinem Verständnis nach bedeute politische Verantwortung nicht zuletzt das Treffen grundsätzlicher Entscheidungen, etwa betreffend der Sicherstellung der nötigen Infrastruktur einer wachsenden Stadt. Darunter falle auch die Gesundheitsversorgung - und insofern habe er gemeinsam mit der damaligen Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) die Weichen für das Spitalskonzept 2030 und damit auch für den Bau des KH Nord gestellt, führte der Ex-Stadtchef in seinem Eingangsstatement und damit noch vor den ersten Fragen der Kommissionsmitglieder aus.
Keine Verantwortung für Details
Als die Schwierigkeiten mit dem Zeit- und Kostenrahmen virulenter wurden - "ab 2014 war erkennbar, dass es hier Probleme gibt" -, sei entschieden worden, die Bauherrenrolle des Krankenanstaltenverbundes zu verstärken und außerdem mit dem AKH-Direktor Herwig Wetzlinger einen sachkundigen Krankenhausmanager zusätzlich in das KAV-Führungsgremium zu holen. Für diese Schritte übernehme er die politische Verantwortung, so Häupl: "Aber ich übernehme keine Verantwortung für Details einer Baustelle." Denn er sei weder Baumeister noch Bauherr.
Häupl (SPÖ) lobte in seiner Befragung zunächst die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Generaldirektor des Krankenanstaltenverbunds, Wilhelm Marhold - den er bereits aus Studientagen kenne, wie er betonte. Von diesem sei er mit einer "gewissen Regelmäßigkeit" über das Krankenhaus Nord informiert worden, "dass alles im Wesentlichen in Ordnung ist".
Marhold zog sich 2014 aus gesundheitlichen Gründen zurück. Dazu Häupl heute: "Mir wär lieber gewesen, er wäre geblieben." Auch das von der KAV-Spitze zunächst präferierte Generalunternehmermodell sei ihm sehr vernünftig erschienen. Dass man sich mit dem Konsortium nicht einigen konnte, lag laut Häupl am Preis. In die Verhandlungen sei er aber nicht unmittelbar eingebunden gewesen. Seine Aufgabe habe vielmehr darin bestanden, dafür zu sorgen, "dass das Krankenhaus Nord tatsächlich umgesetzt wird".
Wie im "Politikbüro der DDR"
"Man kann auf einigen europäischen Baustellen sehen, was ein Baustopp bedeutet, nämlich nichts Gutes", verteidigte der Ex-Stadtchef das Festhalten am Projekt - auch als Zeit- und Kostenüberschreitungen bereits ruchbar geworden waren. Zu Marholds Nachfolger, den aus Deutschland stammenden Gesundheitsmanager Udo Janßen, hatte Häupl ein weniger gutes Verhältnis, wie er eingestand: "Mein Problem mit ihm war, dass er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mitgenommen hat auf seinem Weg."
Damit bezog sich Häupl auf die Veränderungsprozesse in der städtischen Krankenhausholding - die etwa das neue Spitalskonzept umsetzten musste bzw. muss. Letztendlich wurde Janßen gekündigt - von ihm, allerdings auf Bitte der damaligen Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ): "Wir waren alle der Meinung, es ist so, wie gehandelt wurde, richtig."
Dass Janßen in seiner Befragung vor der Kommission auch Personalbesetzungen im KAV mit der Bemerkung, er sei sich vorgekommen wie im "Politikbüro der DDR", kritisiert hatte, kommentierte Häupl spöttisch: "Ich hab' den Eindruck, da versteht er was davon." Bei der betreffenden Person handelte es sich um eine VSStÖ-Spitzenfunktionärin. Häupl zeigte sich heute erbost darüber, dass sofort, wenn jemand aus der SPÖ eine Tätigkeit ausübe, diese denunziert werde: "Da fallen mir bei der derzeitigen Bundesregierung ganz andere Dinge ein."
Das inzwischen regelrecht berühmte Engagement eines Energetikers hält der prominente Zeuge schlicht für einen Fehler, wie er beteuerte: "Der weiß ja selber nicht, was er tut. Das ist ein Unfug, schade ums Geld." Zum heute scherzhaft vorgebrachten Hinweis, dass die katholische Kirche einen Segen umsonst gespendet hätte, äußerte sich Häupl vorsichtig: "Wahrscheinlich, obwohl ich mir bei der katholischen Kirche, bei allem Respekt, auch nicht sicher bin."
Keine wahltaktischen Verzögerungen
Als "Mär" bezeichnete Häupl den Umstand, dass man 2015 die Verzögerungen nicht kommuniziert habe, um die Chancen der SPÖ bei der Wien-Wahl in diesem Jahr nicht zu mindern. "2015 habe ich ganz andere Probleme gehabt als das KH Nord", meinte der frühere Stadtchef und SPÖ-Landesvorsitzende. Der Urnengang fand im Jahr der großen Fluchtbewegung aus Syrien statt. Allerdings waren die Probleme auf der Baustelle in Floridsdorf bereits Thema in den Medien.
Dass der KAV aber noch mittels Presseaussendung versicherte, dass es keine Verzögerungen geben wird, machte sogar Häupl stutzig. "Ich hab mir gedacht, aha, hab ich was versäumt?" Er habe sich daraufhin telefonisch bei Ressortchefin Wehsely erkundigt. Über den Inhalt des vertraulichen Gesprächs wollte er heute nichts preisgeben - worauf der Ex-Politiker prompt mit der Wahrheitspflicht in Konflikt geriet. Die Vorsitzende Elisabeth Rech wies Häupl darauf hin, dass er antworten müsse, sofern er sich nicht selbst belastet oder sich nicht mehr erinnern kann. Häupl nahm dies zur Kenntnis und versicherte: "Ich kann mich nicht erinnern."
"Wollen wir doch bei aller Kritik, die ich anerkenne, die Kirche im Dorf lassen. Das KH Nord ist fertig", verwies der einst mächtigste Mann im Rathaus schließlich auf die anlaufende Inbetriebnahme - wobei er heute nicht verhehlte, dass es eine "Fülle von Problemen" gegeben habe: "Der Rechnungshofbericht ist nicht in Brailleschrift geschrieben, ich kann ihn lesen." Wobei Häupl einen heute geäußerten Vorhalt, wonach es eine 60-prozentige Kostensteigerung gegeben habe, energisch zurückwies: "Davon ist keine Rede."
Er sehe Grundsatzentscheidungen wie etwa jene über Postenbesetzungen in seiner politischen Verantwortung, hielt der Altbürgermeister fest: "Die übernehme ich letztendlich auch." Bauherr sei jedoch der KAV gewesen, darum kenne er, Häupl, auch die Berichte der begleitenden Kontrolle nicht. Die heute ebenfalls kolportierte Behauptung, wonach auf der Baustelle beklagt worden sei, dass sich keine Spitzenpolitiker dort blicken ließen, sorgte für leichten Unmut beim Gast: "Ich war auf der Baustelle. Dass man mich dort übersehen hat, bekümmert mich."
Die Befragung des seit zehn Monaten nicht mehr amtierenden Langzeit-Stadtchefs dauerte mehrere Stunden. Häupl wurde vom SPÖ-Nationalratsabgeordneten Hannes Jarolim, der als Vertrauensperson fungierte, begleitet.
Für den Nachmittag sind noch drei weitere Zeugen angekündigt. Thomas Pankl aus dem Planerteam (Stabsstelle Bauherrenmanagement), Peter Wölfl, stellvertretender Programmleiter von 2007 bis 2014, sowie Bernhard Pisecky, damaliger KH-Nord-Referent von Ex-Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ).