Reaktion eines Freundes, als gestern die Rede auf den kollektiven Lachzwang kam, der uns hierzulande mittels Faschingssitzungen und elendig fader TV-Übertragungen in den vergangenen Wochen auferlegt worden war: „Humor ist, wenn man trotzdem NICHT LACHT.“ Uff, heute ist es endlich damit vorbei, der Fasching wurde bestattet, die vom Kampflachen verkrampften Mundmuskeln über unserem Schädel (ja, denselben trägt ein jeder ständig mit sich herum, unter unserer lachenden Maske aus Fleisch; ist das nicht irgendwie KOMISCH?) lockern sich, endlich darf der Mensch wieder LACHEN. Warum dürfen wir gerade heute lachen? Weil wir fasten dürfen, uns endlich erholen vom Lachzwang, vom Schunkeln, von den allerorten militant vorgetragenen „volkstümlichen“ Dümmlichkeiten. Lachfasten, um danach wieder aus befreiter Seele lachen zu können.

„Wer zuletzt lacht, lacht am besten“, sagt man. Nur, wer lacht zuletzt? Heute, am Aschermittwoch, wird uns die realistischste Version vorgestellt, nämlich Feststellung unserer Sterblichkeit; Asche, Staub. Unsere Schädel unter den Masken lachen sowieso, weshalb die realistischen Venezianer im Carneval eine Totenkopfmaske zum schwarzen Kostüm tragen.

Warum auch sollte der Tod uns nicht auslachen, spürt er doch instinktiv, dass wir uns insgeheim vor ihm fürchten und daher vor ihm flüchten, in den „Spaß“, den Spaßzwang, in den Lachzwang, in die (verzweifelte) Verdrängung; er lacht uns aus, weil wir ihm früher oder später so oder so in die Hände fallen werden, ob wir uns nun fürchten oder aus Angst „Spaß haben“ wollen. Eigentlich könnten wir in das grimmige Lachen des Todes einstimmen, und mit ihm über die Torheit der Dinge lachen, welche wir für beständig halten, an welche wir uns klammern. Aber dazu bräuchten wir ein Übermaß an Humor (das Gegenteil des Kampflachens), nämlich Demut und Einsicht in unsere Unzulänglichkeit, in unsere Rolle in der Göttlichen Komödie der Existenz. Dazu bräuchten wir Fasten, Verzicht, eine Fastenzeit, unsere traditionellen vierzig Tage wären da gerade ein humanes Maß.

Wozu fasten? Der indische Prinz Gautama Buddha besaß alles, was sich nur ein fescher, junger Herr seines Standes wünschen konnte: Reichtum, politische und sportliche Erfolge, eine atemberaubend schöne junge Frau, zuletzt einen prächtig gedeihenden Sohn. Allein, es war ihm zu lachen nicht zumute. Trieben er, die Seinen und alles, was er besaß, nicht rasend schnell dem Untergang, dem Tode entgegen? Was tun? Der Prinz zieht die radikale Konsequenz. Er legt seine prächtigen Gewänder ab, hüllt sich in Lumpen und zieht sich in den Wald zurück. Dort fastet er, so gründlich, dass unter seiner Bauchdecke die Wirbel des Rückgrates auszunehmen sind. Und irgendwann einmal, gerade ehe er noch Hungers stirbt, kommt die übermenschliche Erfahrung über ihn, das, was er seine Erleuchtung nennen wird.

Er beginnt, in Maßen Nahrung zu sich zu nehmen und … jetzt hat er es gelernt, sein Lachen, sein legendäres Lächeln gelernt. Wer kann bestreiten, dass die Reden des Buddha von dessen leisen, exquisiten Humor getragen sind?

Fasten? Verzichten? Niemals als Selbstzweck, niemals als Übung zwecks Erlangung von Fitness, niemals als spitzensportlicher Kraftakt, daher niemals um des bloßen Fastens willen, sondern um seine Seele (und den Körper!) zu befreien, von allen Süchten und albernen Begehrlichkeiten zu reinigen, letztlich, um den Fastenden schöner zu machen, möglichst so schön, wie der Mensch im Paradiese gewesen war, ehe er sich auf Rat der Schlange dazu unterstand, „sich selbst zu verwirklichen“. Denn das ging damals bekanntlich ordentlich schief …

Jesus fastete vierzig Tage lang in der Wüste. Erst dann offenbarte er sich. Wenn man die Evangelien liest, so fällt einem doch bald auf, dass hier, in den Gleichnissen und den Streitgesprächen mit seinen Widersachern, eine Art ultraviolette Ironie des Herrn durch die Verse weht. Was das Fasten betrifft, so lautet die Empfehlung Jesu, der Fastende möge doch sein Angesicht waschen und sein Haupt parfümieren und er möge seiner Umwelt tunlichst nur ja kein saures Gesicht darbieten. Weil die Göttliche Komödie ja am Ende doch noch gut ausgeht.

Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Wie sieht es aus, das Lächeln des Auferstandenen, dann, wenn in vierzig Tagen das „Osterlachen“ angesagt sein wird? Wenn der Tod aufgehört haben wird zu grinsen …
Erahnen wir es im überlegenen Lächeln des geheimnisvollen Schleierbildes von Manoppello (unschwer auf Google zu finden)? Ein göttliches Lächeln, welches die Heiterkeit des Buddha freundlich überlächelt.