Das Jahr 2018 war, wahltaktisch gesehen, eine Atempause für die Parteien in Österreich - sowohl für die Regierung, als auch für die Opposition.
Die türkis-blaue Regierungsmannschaft mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) an der Spitze brauchte dieses Jahr, um zur Ruhe zu kommen und sich in ihren Ämtern einzurichten. Die EU-Präsidentschaft war Stress genug, und der Neustart im Kanzleramt mit ein Grund dafür, dass der Erfolg der Ratspräsidentschaft unter den Erwartungen blieb.
Der Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), Paul Schmidt, beurteilt den österreichischen EU-Ratsvorsitz "gemischt". "Ich würde sagen, es gibt sowohl Licht als auch Schatten", sagte er im APA-Interview. Schmidt sprach von einem "Wechselspiel zwischen innenpolitischer Dominanz und dem Versuch, sich als Ratsvorsitz als neutraler Makler zu positionieren und Europa einen Dienst zu erweisen. Das ist ein schmaler Grat, der in manchen Bereichen gelungen ist und in anderen weniger."
Die Opposition brauchte das Jahr, um, im Falle der SPÖ, den Rauswurf aus der Regierung und das Scheitern von Parteiobmann Christian Kern zu verdauen, im Falle der Grünen den tiefen Fall aus dem Parlament, verbunden mit der gesamten Führung, zu verarbeiten und, im Falle der Neos, den Abgang der Lichtgestalt Matthias Strolz zu kompensieren.
Im Jahr 2019 sind nur zwei Wahlen angesagt: Die AK-Wahlen, die bereits Ende Jänner starten, und die EU-Wahl am 26. Mai. Nur der neue Grünen-Chef Werner Kogler kandidiert persönlich bei einer davon, der EU-Wahl nämlich. Aber auch für Kurz, Strache, die neue SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner und Strolz-Nachfolgerin Beate Meinl-Reisinger wird das neue Jahr zum Lackmus-Test.
Es geht um die sozialen Fragen
Wem gelingt es, die Themen zu treiben? Wer wird getrieben? Wer sieht sich in die Rolle des Zuschauers verwiesen? Es sind vor allem die sozialen Fragen, aus denen der Stoff für diese Geschichten gewebt ist.
Die Mindestsicherung wird nach Ende der Begutachtungsphase am 10. Jänner in die endgültige Form gegossen. Die Reform der Notstandshilfe steht noch aus. Die Reform der Sozialversicherungen geht in die Umsetzungsphase. Die Reform der Pflege hat die Regierung als Nächstes auf ihre Fahnen geschrieben.
Ein Spalt zwischen Ost und West
Die AK-Wahlen haben schon im zu Ende gehenden Jahr einen tiefen Spalt zwischen die ÖVP-Regierer im Osten und die schwarzen Arbeitnehmervertreter im Westen des Landes getrieben. Einen Keil, der bis hinauf in die Ränge der Landeshauptleute Wirkung gezeigt hat.
Im kommenden Jahr werden die ÖVP-Arbeitnehmervertreter in ganz Österreich den Spagat zwischen einer als arbeitnehmerfeindlich verrufenen Regierung und ihrer eigenen Klientel schaffen müssen, um ihre Position in den Arbeiterkammer-Vollversammlungen zu halten. Das Match beginnt wohl unmittelbar nach dem Jahreswechsel - Tirol und Vorarlberg sind die ersten Länderkammern, die wählen. Und in Vorarlberg wird 2019 auch der Landtag neu gewählt.
Heraus aus dem Winkel
Umgekehrt wird die Opposition aus dem Schmollwinkel herauskommen müssen, um ihre Wählerinnen und Wähler im Vertrauen zu stärken, dass sie nicht gänzlich abgemeldet sind aus der Politik. Den Kampf auf der Straße hat man erfolgreich geprobt, die Messer im Parlament schon in Hinblick auf die Arbeiterkammerwahlen gewetzt. Eine neue Spitzenkandidatin der SPÖ, Renate Anderl, eine grüne Fraktion, deren Äste vom Stamm abgetrennt wurden, die Neos, die sich eher der Wirtschafts- denn der Arbeiterkammer verbunden fühlen, müssen sich erst behaupten bei der Wahl, aber für die Mutterparteien geht es wohl vor allem auch darum, ein erstes Zeichen dafür zu setzen, dass es wieder starken Gegenwind gibt zu türkis-blau.
Die FPÖ und die "kleinen Leute"
Spannend wird dabei auch die Frage, ob und wie sehr es die Freiheitlichen als starke Opposition in den Arbeiterkammern, die sich bisher als Fraktion der "kleinen Leute" inszenierte, zerreißt und welche Folgewirkung das auf die Stabilität der Koalition im Bund hätte, die derzeit auf dem Glauben daran beruht, dass der Regierungspakt auch dem Zweiten keinerlei Schaden zufügt.
Die EU und das rechte Lager
Eine der Hauptfragen bei der EU-Wahl im Mai wird sein, wie sich international das rechte Lager neu formiert. Derzeit sind EU-Skeptiker und Gegner des europäischen Projekts weit zersplittert. Zusammen hätten die rechten Kräfte das Potenzial, die EVP im Rennen um den ersten Platz herauszufordern. Die Frage, wie rechts sich der FPÖ-Spitzenkandidat - vermutlich Harald Vilimsky - positioniert, wird auch im Jahr nach der EU-Präsidentschaft nicht unerheblich sein für die Stabilität der türkis-blauen Koalition in Österreich.
2020 wird es ernst
Das erste richtige Match von türkis-blau gegen rot findet dann im Jahr 2020 in Wien statt. Auch in der Steiermark wird 2020 gewählt - ob es danach wieder zu einer schwarz-roten Koalition kommt, steht in den Sternen, die Blauen stehen ante portas für ein Duett mit einer türkis ausgerichteten ÖVP. Auch das Burgenland wählt dann neu - das verspricht Sprengstoff für die SPÖ, die sich dann wohl endgültig entscheiden muss, wie sie es hält mit den Blauen.
Claudia Gigler