20 Jahre lang soll ein Salzburger Oberst für Russlands militärischen Geheimdienst in Österreich aktiv gewesen sein. Der Heeresbedienstete soll in einer Leitstelle des Heeres gearbeitet haben und alle zwei Wochen mit seinem russischen Kontaktmann "Juri" zusammengekommen sein, berichtet die "Krone".
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) gaben um 9.30 Uhr eine Stellungnahme ab. Ein ausländischer Geheimdienst soll Österreich den Hinweis zur Ausforschung des Oberst geliefert haben. Der Mann wurde bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.
Russland-Aktion "nicht akzeptabel"
Kurz erklärte, dass der Oberst von den 90ern an bis heute tätig gewesen sein dürfte. Sollte sich der Verdacht bestätigen, werde das "natürlich strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen". Zum Verhältnis zu Russland: Dieses werde durch solche Aktionen "nicht verbessert", ein solches Vorgehen sei "nicht akzeptabel". Bisher handle es sich nur um einen Verdacht, betonte Kurz und bedankte sich bei Kunasek für das "professionelle Handeln".
Das russische Außenministerium beklagt das Vorgehen Österreichs im Fall des Bundesheer-Offiziers, der für Russland spioniert haben soll. Die "von Wien unternommenen Schritte", die auf "unbewiesenen Verdächtigungen" basierten, hätten zu einer "Erschwerung unserer Beziehungen geführt", erklärte das Ministerium am Freitagabend in einer Aussendung.
Dies sei insofern bedauerlich, als sich die Beziehungen zwischen Moskau und Wien "bis zuletzt durch eine positive Dynamik ausgezeichnet" hätten, heißt es in dem Schreiben weiter. Kritik übte das russische Außenamt auch daran, wie der Vorfall von der österreichischen Regierung kommuniziert wurde. Man sei nicht "über bewährte Kanäle des Dialogs" in Kontakt getreten, sondern habe "auf sensationalistische Weise Informationen an Medien gespielt".
Mit der öffentlichen Aufforderung an Russland, Erklärungen abzugeben, hätten die österreichischen Partner leider zu einer von vielen westlichen Staaten praktizierten Methode gegriffen, klagte das Außenministerium. Österreichs Botschafter Johannes Eigner sei am Freitag im russischen Außenministerium über das russische Unverständnis diesbezüglich informiert worden.
Außenministerin Karin Kneissl habe zudem ihre geplante Reise nach Russland abgesagt, erklärte Kurz. Diese hätte am 2. und 3. Dezember nach Moskau führen sollen, die Umsetzung des "Sotschi-Dialogs" wäre das Hauptthema des Treffens gewesen. Die Rede war von einem Forum für zivilgesellschaftlichen Dialog zwischen Österreich und Russland, das beim Wien-Besuch von Präsident Wladimir Putin im Juni angekündigt worden war.
Kneissl fürchtet nun aufgrund des Spionagefalls eine Belastung der bilateralen Beziehungen mit Russland. "Sollten sich die jetzt vorliegenden Verdachtsmomente bestätigen, dann würde dies eine schwerwiegende Belastung für die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Russland darstellen", teilte sie der APA am Freitag mit.
Nach Bekanntwerden des Spionageverdachts ist Österreichs Botschafter Johannes Eigner am Freitag in das russische Außenministerium in Moskau zitiert worden. Das vermeldeten russische Nachrichtenagenturen.
FPÖ als "Sicherheitsrisiko"
Im Zusammenhang mit dem Spionageverdacht sehen die Liste Pilz und die Grünen die Regierungspartei FPÖ und deren gute Kontakte nach Russland als "Sicherheitsrisiko" an. Peter Pilz, Gründer der Liste Pilz, schrieb am Freitag in einer Aussendung: "Eines der größten nachrichtendienstlichen Risiken im Innenministerium und Landesverteidigung ist die mit der russischen Führung verbündete FPÖ selbst." Er forderte, dass das "Sicherheitsrisiko FPÖ" im BVT-Untersuchungsausschuss ab Jänner untersucht wird.
Außerdem twitterte Peter Pilz: "Putin verfügt über 5 Stationen in Österreich: 1. die russische Botschaft in Wien; 2. den russischen Inslandsgeheimdienst FSB; 3. den Auslandsdienst SWR; 4. den militärischen Auslandsdienst GRU und 5. den politischen Dienst FPÖ."
Auch der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon bezeichnete die blaue Regierungspartei in einer Aussendung als "Sicherheitsrisiko für Österreich" und schrieb: "Die FPÖ, die den Verteidigungsminister stellt, und deren Innenminister das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung unter ihre Kontrolle bringen will, unterhält einen offiziellen Freundschaftsvertrag mit Putins Regierungspartei 'Einiges Russland'. In diesem Vertrag sagen sich beide Seiten gegenseitige Unterstützung zu." Die NEOS forderten eine schnelle Aufklärung des Spionageverdachts.
Lawrow: Wir wissen nichts davon
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat den Spionageverdacht aus Österreich zurückgewiesen. "Wir werden beschuldigt und es gibt Aufforderungen, dass wir uns für eine Sache entschuldigen, von der wir nichts wissen", zitierte die Nachrichtenagentur Interfax Lawrow am Freitag.
Der Minister gab sich "unangenehm überrascht" über die Vorwürfe aus Wien. Moskau werde Österreichs Botschafter Eigner erklären, wie Wien sich verhalten sollte, wenn es Fragen an Russland hat, zitierten russische Nachrichtenagenturen weiter. Lawrow beklagte, "dass Österreich eine "Megafon-Diplomatie" verwendet habe, statt sich in diesen Fragen direkt an Moskau zu wenden. Eigner wurde am Freitag ins russische Außenministerium zitiert.
Staatsanwaltschaft Salzburg prüft Anzeige
Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg ist am Freitag eine Anzeige des Verteidigungsministeriums in Bezug auf einen pensionierten Offizier des österreichischen Bundesheers eingegangen, die nun geprüft wird. Dies gab ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Freitagvormittag in einer Presseaussendung bekannt.
"Gegenstand der Darstellung ist der Vorwurf gegen einen 70-jährigen Salzburger Offizier in Ruhe des österreichischen Bundesheeres, wonach dieser Informationen an einen ausländischen Nachrichtendienst weitergegeben habe", hieß es in der Aussendung. Die Staatsanwaltschaft prüfe den Bericht auch in Richtung des Verbrechens des Verrats von Staatsgeheimnissen (§ 252 Abs 1 StGB).
Tipp von befreundeten ausländischen Diensten
Kunasek erklärte, dass befreundete ausländischen Dienste das Ministerium vor einigen Wochen über den Oberst, der bereits fünf Jahre pensioniert ist, informiert haben. Derzeit werden die Arbeitsgeräte des Mannes ausgewertet, an die Staatsanwaltschaft wurde eine Sachverhaltsdarstellung übermittelt. Dieser Fall zeige, dass es auch nach dem Kalten Krieg Spionage gebe. Deshalb werde man umso mehr den Fokus auf die Sicherheit der heimischen Verteidigung legen. Zudem brauche es mehr Sicherheitsüberprüfungen, ebenfalls im Bezug auf die IT.
Man könne nicht mit Sicherheit sagen, dass es "keinen Wissensabfluss" gegeben habe, erklärte Kunasek. Ob es sich bei dem Fall um einen Einzelfall handelt, könne man bisher ebenfalls nicht sagen. Kurz wurde deutlicher, angesichts jüngster Fälle in Holland könne man "durchaus davon ausgehen, dass sich dieser Verdacht erhärtet". Nun werde man sich auch mit den Europäischen Partnern beraten.