Das EU-Magazin "Politico" hat Österreichs Neo-Bundeskanzler Sebastian Kurz unter die" Gewinner des Jahres 2017" gereiht. Andere 31-Jährige würden "einen Kredit aufnehmen, heiraten oder ein Kind bekommen", heißt es in der Begründung auf der Website "www.politico.eu": "Sebastian Kurz übernahm seine politische Partei, die ÖVP, benannte seine Wahlliste nach sich selbst und gewann an der Wahlurne."

Die Frage sei nun, ob er "zum Vorbild für andere Führer des rechten Lagers" werden könne, "die populistische Spannungen abwehren wollen", meinte "Politico", um umgehend selbst festzustellen: "Er hat sich jede Chance gegeben." Der ÖVP-Politiker wurde in dem Ranking in eine Reihe mit den Präsidenten Frankreichs, Emmanuel Macron, der USA, Donald Trump, seinen Amtskollegen Leo Varadkar (Irland) und Andrej Babis (Tschechien), der EU-Handelskommissarin Cecilia Malström sowie den europäischen Hochgeschwindigkeitszügen "Thalys" gestellt.

Zu den Verlierern des Jahres 2017 zählte "www.politico.eu" unter anderen den im belgischen Exil lebenden abgesetzten katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont sowie dessen Gegenspieler in der Unabhängigkeitsdiskussion rund um die nordostspanische Provinz Katalonien, Spaniens Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Weiters sind unter den Verlierern auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Großbritanniens Regierungschefin Theresa May sowie der deutsche Ex-Parlamentspräsident und SPD-Chef Martin Schulz zu finden. Aber auch "Central and Eastern Europe", namentlich die Slowakei, die beispielhaft sei "für den wachsenden Nationalismus in dieser Region".

Kritik wegen FPÖ-Allianz

Kurz steht wegen der Einbeziehung der FPÖ in die neue schwarz-blaue Regierung aber auch in der Kritik. Die FPÖ wird international mitunter als rechtspopulistisch bis rechtsextrem eingestuft. Persönlichkeiten aus verschiedenen Ländern hatten am Donnerstag zum Boykott der freiheitlichen Minister in der österreichischen Regierung aufgerufen. In dem Aufruf, der von "LeMonde.fr" im Internet veröffentlicht wurde, hieß es, "die Erben des Nazismus" hätten eine "Machtstellung in der neuen österreichischen Regierung" erlangt. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sprach am Freitag umgehend von einem "durchschaubaren Manöver" des letzten Aufgebots der "vereinigten Linken".

Der ÖVP-Bundeskanzler verteidigte die FPÖ-Regierungsbeteiligung in einem Interview mit der am Freitag erschienenen Wochenendausgabe der israelischen Gratiszeitung "HaYom" mit dem Hinweis, dass sich der aktuelle Parteichef der Freiheitlichen, Heinz Christian Strache, von seinem 2008 tödlich verunglückten Vorgänger Jörg Haider "absolut" unterscheide. "Strache ist immer gegen Vorfälle von Antisemitismus in seiner Partei, wenn es solche gab, eingetreten. In den vergangenen Jahren hat er sich auch bemüht, gute Beziehungen zu Israel aufzubauen."

Verbündeter Israels

Dass die israelische Regierung keinen Kontakt zu FPÖ-Ministern haben wolle, kommentierte Kurz so: "Wir werden jede Entscheidung Israels respektieren. Ich für meinen Teil werde mich bemühen, die bestehenden Zweifel zu beseitigen, um eine ausgezeichnete Beziehung zwischen den Staaten zu gewährleisten. Als österreichischer Kanzler bin ich nicht nur an guten Beziehungen zu Israel interessiert, sondern auch daran, dass Österreich ein Partner und ein Verbündeter Israels sein wird."

Er schätze Israels Regierungschef Benjamin "Bibi" Netanyahu jedenfalls sehr. "Ich habe eine freundschaftliche Beziehung zu ihm. Ich hoffe sehr, dass ich die Zweifel beseitigen kann." "HaYom" gilt in Israel als äußerst "Netanyahu-freundlich" und als meist gelesene Zeitung des Landes. Laut der österreichischen Tageszeitung "Kurier" (Samstagsausgabe) wird das Gratisblatt von Freunden des konservativen Likud-Politikers finanziert.

"Null-Toleranz" bei Antisemitismus

Kurz versprach in dem Interview eine Politik der "Null-Toleranz" gegenüber jeder Form des Antisemitismus in Österreich. "Der Antisemitismus hat in Österreich und Europa keinen Platz." Er spreche dabei aber nicht nur "über alten Antisemitismus, den es leider immer noch gibt", sondern auch über neuen, importierten Antisemitismus. "Der Zustrom von Flüchtlingen nach Österreich hat zweifellos neues antisemitisches Denken nach Österreich importiert."

Dass die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl die zionistische Ideologie mit der Ideologie von "Blut und Boden" verglichen habe, wollte der Bundeskanzler auf Anfrage von "HaYom" nicht überbewerten. Kneissl habe an der Hebräischen Universität in Jerusalem studiert, betonte er. "Ich glaube nicht, dass ihr Antisemitismus zugeschrieben werden kann."

Bezüglich des Umstands, dass sich Österreich in der Vorwoche beim Votum in der UNO-Vollversammlung gegen die Entscheidung von US-Präsident Trump ausgesprochen hatte, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, sei weder gegen die USA noch Israel gerichtet gewesen, betonte Kurz gegenüber "HaYom". "Wir halten uns an die Position der Europäischen Union, das heißt, dass die Zukunft Jerusalems durch direkte Verhandlungen zwischen den beiden Seiten bestimmt wird."