Was war das doch für ein gewaltiges Beben, als im Spätherbst 2013 der Finanzskandal am Wiener Burgtheater platzte! Falsche Bilanzen, dubiose Bargeld-Verschiebungen und Steuerhinterziehungen in Millionenhöhe flogen auf. Geschäftsführerin Silvia Stantejsky wurde fristlos entlassen, bald darauf warf man auch den Direktor Matthias Hartmann hinaus.
War alles nur Theaterdonner? Es folgte jedenfalls das Schicksal vieler Kriminalfälle mit politischem Einschlag: Vier Jahre untersuchte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, nun wird die Causa auf die sanfte Art abgeregelt. Der „Kleinen Zeitung“ liegt die Akte großteils vor, das jüngste Schriftstück ist eine amtliche Benachrichtigung vom 29. November: Staatsanwältin Veronika Hennrich stellt weite Teile der Erhebungen gegen Hartmann und gegen den Ex-Chef der Bundestheater-Holding, Georg Springer, ein. Nur die Ex-Prokuristin und dann kaufmännische Geschäftsführerin Stantejsky wird massiv belangt – sie ist bezüglich Bilanzfälschung und Veruntreuung geständig.
Bei Hartmann hingegen sind alle Vorsatzdelikte, also Bilanzfälschung, Untreue und Steuerhinterziehung, vom Tisch. Geprüft wird nur mehr die fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (und ein kleines, eher aussichtsloses Untreue-Detail). Am Ende dürfte wenig übrig bleiben. Hartmann war künstlerischer Burg-Chef, für die schlampige Buchhaltung muss er nun nicht haften.
Angesichts des Umfangs der Malversationen ist es bemerkenswert, dass alles an Stantejsky allein hängenbleibt. Sie habe es eben bei Prüfungen verstanden, immer im richtigen Moment alle Belege nachzureichen, sagt der Anwalt der Burgtheater GmbH, Bernhard Hainz.
Mit Schadenersatzklagen eingedeckt
Die zivilrechtliche Aufarbeitung wird freilich noch lange dauern. Hartmann und das Burgtheater haben einander mit Schadenersatzklagen eingedeckt, der Ex-Direktor fordert rund 300.000 Euro an Restgehältern und Regiehonoraren ein. Auch einige belangte Versicherungen (des Burgtheaters und der Wirtschaftsprüfungsfirma PWC) mischen mit. Durch die Verfahrenseinstellung ist Hartmanns Position nun günstiger: Interne Papiere über Vergleichsverhandlungen zeigen, dass das Burgtheater die Umwandlung der Entlassung in eine einvernehmliche Trennung anbietet. Dazu soll es eine Ehrenerklärung geben, wonach Hartmann „an keinen Malversationen beteiligt war und davon auch nichts wusste“.
Das „System Stantejsky“ mit geheimen Bargeld-Fonds, unzureichender Buchhaltung und fehlerhafter Bilanzierung dürfte mehrere Millionen Euro Schaden hinterlassen. Eine politisch brisante Teilfrage gilt der Mitverantwortung von Kulturminister Thomas Drozda, der bis 1. Juli 2008 kaufmännischer Burg-Geschäftsführer war.
Zwei Selbstanzeigen
Einige sehr fragwürdige Praktiken – etwa die Auflistung von bereits ausgeschiedenen Theaterproduktionen als Aktivposten in der Bilanz – begannen zwar erst nach Drozdas Abschied. Doch die systematische Steuerhinterziehung (es wurde „vergessen“, von Honoraren für ausländische Künstler 20 Prozent Abzugssteuer einzubehalten) gab es mindestens seit 2004, eher schon seit Ausgliederung des Burgtheaters 1999. Diese Steuer müssten eigentlich die Künstler tragen, nun zahlt das Burgtheater - und kann sich das Geld nicht von den Künstlern holen, weil die Buchhaltung zu schlampig war.
Zwei Selbstanzeigen des Burgtheaters von Anfang 2014 nennen Drozda ausdrücklich als einen jener Ex-Manager, die vom Schutz der Selbstanzeige umfasst sein sollen. Der Minister sagt dazu: Diese Nennung sei nur vorsichtshalber erfolgt, in Wahrheit habe er keinen Schaden zu verantworten. „Die Geschäftsführer-Verantwortung besteht nicht darin, Personalverrechnung und Buchhaltung im Detail zu kontrollieren.“ Drozda verweist auf eine Steuerprüfung 2008, die nur minimale Mängel ergab.
Stantejsky sagte allerdings vor der Staatsanwältin aus, die unzureichende Buchhaltung mittels Excel-Listen sei mit Drozda abgesprochen gewesen. Konter des Ministers: „Es war aber nicht abgesprochen, dass es keine ordnungsgemäßen Belege gab.“ Hätte er das gewusst, „dann hätte ich unmittelbar eine Abberufung (von Stantejsky, Anm.) veranlasst“. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.