Die ÖVP will nach einem Regierungsbildungsauftrag zunächst "Annäherungsgespräche" mit allen im Parlament vertretenen Parteien führen und erst danach in vertiefende Koalitionsgespräche eintreten. Dies erklärte der Salzburger Landeshauptmann und ÖVP-Chef Wilfried Haslauer vor einer ÖVP-Vorstandssitzung. Haslauer vermutet, dass die Gespräche in der Reihenfolge der Parteistärke stattfinden warden.
Der Salzburger Landeshauptmann und enge Vertraute von ÖVP-Chef Sebastian Kurz nannte zudem drei Punkte, die für die kommenden Regierungsgespräche zentral sind: Besteht ein ausreichendes persönliches Vertrauensverhältnis, gibt es eine inhaltliche Übereinstimmung und was ist der Wählerwille. Wählerwille ist es laut Haslauer etwa, dass Kurz Bundeskanzler wird. Ob auch eine schwarz-blaue Koalition den Wählerwillen abbilde, ließ Haslauer offen. "Ich habe eine Präferenz, die verrate ich aber nicht", meinte der Landeshauptmann Dienstagabend beim Eintreffen in der Politischen Akademie der ÖVP in Wien-Meidling.
Die PK nach dem ÖVP-Bundesparteivorstand im Livestream:
Die Vorstandssitzung selbst dürfte eher unaufgeregt und ohne formale Beschlüsse über die Bühne gehen. Positive Stimmung und Feierlaune dominierten, und das gab es in den ÖVP-Gremien nach Nationalratswahlen schon länger nicht mehr. Nach dem Wahlsieg vergangenen Sonntag zeigten sich die ÖVP-Granden bei der Ankunft gut gelaunt. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zeigte den Journalisten bei der Anfahrt etwa ihr bereits bekanntes Victory-Zeichen.
Inhaltlich hielt man sich mit Koalitionsansagen aber weiter zurück und ließ sich nicht in die Karten blicken. "Es geht nicht darum, Ansagen zu machen", meinte Kurz schon im Vorfeld des Vorstands nach einem Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Ergebnis-Analyse und "freuen über das Wahlergebnis" war laut Kurz in den ÖVP-Gremien angesagt. Mit wem die ÖVP letztlich in Koalitionsgespräche geht, lässt der ÖVP-Chef vorerst offen. Bis Weihnachten soll eine Koalition mit stabiler Mehrheit stehen, verriet er der "Kleinen Zeitung".
Politikexperten rechnen mit der FPÖ als erstem Ansprechpartner für eine Regierung. Offiziell wollte dies am Dienstagabend aber niemand bestätigen. Kurz will zunächst das für Donnerstag erwartete endgültige Wahlergebnis inklusive Wahlkarten abwarten und voraussichtlich am Freitag den Regierungsbildungsauftrag durch Van der Bellen entgegen nehmen. Danach seien Gespräche mit allen Parteien geplant, lautet die offizielle Lesart.
Freie Hand für die anstehenden Regierungsgespräche musste sich Kurz von seiner Partei formell gar nicht erst geben lassen. Die hat er bereits seit dem Krönungs-Parteitag im Juli. Im Zuge einer Statutenreform bekam er damals bereits alle Möglichkeiten. Dazu zählen etwa auch die Kompetenz für die strategische Ausrichtung sowie für die Bestellung des ÖVP-Regierungsteams. Nach dem Wahlsieg wirkt der ÖVP-Obmann in seiner Position weiter gestärkt. "Was Kurz sagt, ist jetzt Gesetz", formulierte es etwa der frühere ÖVP-Chef Michael Spindelegger in der "Presse".
Der Salzburger Landeshauptmann Haslauer erklärte vor dem Parteivorstand, dass man volles Vertrauen in die Verhandlungsführung von Kurz habe. Auch punkto möglichem Regierungsteam werde man dem Parteichef nicht in die Hand greifen. "Kurz muss sich das beste Team zusammenstellen. Da haben Länder- und Bündeinteressen keine Bedeutung."