In Venezuela scheint das Parlament endgültig entmachtet. Nachdem Militäreinheiten das weitläufige Gebäude der Nationalversammlung abgeriegelt hatten und Abgeordneten der Zugang verweigert worden war, kam die von Staatschef Nicolás Maduro initiierte Verfassungsgebende Versammlung am Dienstag in dem Saal zu einer Sitzung zusammen, in dem bisher das oppositionelle Parlament tagte.
Zuvor hatte die am Freitag installierte Versammlung zwar in dem Gebäude getagt, aber in einem anderen Saal. Abgeordnete berichteten, das sich Soldaten in der Nacht zu Dienstag Zutritt zu den bisherigen Räumlichkeiten des Parlaments verschafft hätten, damit die Sitzung der Verfassungsversammlung vorbereitet werden konnte. Sie hat als übergeordnetes Staatsorgan das Parlament de facto entmachtet.
Dennoch tagte das reguläre Parlament am Montag noch in dem Gebäude. Es erkennt Entscheidungen der von linientreuen Sozialisten dominierten Versammlung nicht an. "Diese Regierung dringt in Räume ein, die sie nicht auf legitime Weise gewinnen kann", sagte der Fraktionschef der Opposition, Stalin Gonzalez. Der Vizepräsident des Parlaments, Freddy Guevara sagte zu dem Militäreinsatz: "Nur so kommen sie dort rein und sind dort, wo das Volk keinen Zutritt gegeben hat." Angesichts des Endes der Gewaltenteilung fragte Guevara bei Twitter mit Blick auf die Zukunft: "Harte Diktatur"?
Im Parlament verfügt die Opposition seit ihrem Wahlsieg im Dezember 2015 über eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Wahl der Verfassungsversammlung vor gut einer Woche war ein neuer Höhepunkt des erbitterten Machtkampfs zwischen der Opposition und dem linksnationalistischen Präsidenten. Die Mitglieder des neuen Gremiums stehen über dem Parlament und sollen die Verfassung novellieren, die 1999 unter Maduros Vorgänger, dem 2013 gestorbenen Hugo Chavez, verabschiedet worden war.
Willkürliche Verhaftungen
Das Oberste Gericht des Landes ordnete am Dienstag die Festnahme eines Oppositionsbürgermeisters in Caracas an. In dem Bezirk Chacao, dessen Oberhaupt Ramon Muchacho ist, war es zu Massenprotesten gegen Präsident Maduro gekommen. Die Vereinten Nationen verurteilten noch kurz vor der Anordnung des Gerichts willkürliche Verhaftungen und exzessive Gewalt gegen Regierungsgegner in Venezuela. Nach einer UNO-Analyse sind Sicherheitskräfte für zumindest 46 und militante Regierungsanhänger für 27 Todesopfer verantwortlich
Das venezolanische Militär stellte sich indes demonstrativ hinter Präsident Maduro. Umringt von drei Panzern und hunderten Soldaten trat der Verteidigungsminister und Armeechef Vladimir Padrino am Montagabend im Staatsfernsehen auf, um die Einigkeit und die "sehr gute Moral" der Streitkräfte deutlich zu machen. Für Maduros Machterhalt kommt den Sicherheitskräften und vor allem der Armee eine Schlüsselstellung zu. Die Opposition hat das Militär immer wieder aufgefordert, sich gegen Maduro zu erheben.
Am Sonntag hatten 20 Männer in Uniform einen Stützpunkt in Valencia im Nordwesten des Landes angegriffen. Während Armeechef Padrino am Montag von einem "Terrorangriff" sprach und aus den USA bezahlte Söldner für die Attacke verantwortlich machte, sprachen die Angreifer von einer "rechtmäßigen Rebellion" der Streitkräfte. In einem Internetvideo forderte ein Mann, der sich als der Offizier Juan Caguaripano vorstellte, zudem die Bildung einer Übergangsregierung und "freie Wahlen" in Venezuela.
Unterstützung bekam Maduro unterdessen von der argentinischen Fußball-Ikone Diego Maradona. "Wenn Maduro es anordnet, kleide ich mich für ein freies Venezuela als Soldat - um gegen den Imperialismus zu kämpfen", schrieb der Weltmeister auf Facebook. "Es lebe Maduro! Es lebe die Revolution!" Auch Maradonas Lebensgefährtin Rocio Oliva unterzeichnete den kampfeslustigen Text. Beide sagen darin von sich: "Wir sind Chavisten bis zum Tod."