Mit Spannung wird in Frankreich für heute die Vorstellung der neuen Regierung erwartet. Der sozialliberale Staatschef Emmanuel Macron dürfte Minister aus einem breiten Parteienspektrum ernennen. Das Kabinett hätte ursprünglich am späten Dienstagnachmittag vorgestellt werden sollen. Die Präsentation wurde aber verschoben.

Der Elysee-Palast begründete die Verzögerung mit ersten Überprüfungen der Steuerunterlagen der Ministerkandidaten. Außerdem sollten mögliche Interessenskonflikte ausgeschlossen werden.

Dies stehe im Einklang mit Macrons Versprechen, für mehr "Moral im öffentlichen Leben" zu sorgen. In den vergangenen Jahren waren mehrfach französische Regierungsmitglieder wegen Finanzaffären oder Interessenskonflikten zurückgetreten.

Der neuen Regierung werden voraussichtlich Politiker von Macrons Bewegung "La Republique en Marche", der verbündeten Zentrumspartei MoDem, den Konservativen und den Sozialisten angehören. Der neue Staatschef könnte auch Vertreter der Zivilgesellschaft zu Ministern machen.

Ein bürgerlicher Überläufer als Ministerpräsident

Mit der Ernennung des gemäßigt-konservativen Politikers Edouard Philippe zum Premierminister hatte Macron bereits am Montag die Grundlage für ein breites Regierungsbündnis gelegt. Der 39-jährige Staatschef, der sich als weder links noch rechts ansieht, will so bei der Parlamentswahl im Juni eine Regierungsmehrheit für seinen sozialliberalen Reformkurs bekommen.

Für die verschiedenen Ministerposten zirkulierten zuletzt zahlreiche Namen. Aus Macrons Umfeld könnten der Generalsekretär von "La Republique en Marche", Richard Ferrand, der Bürgermeister von Lyon, Gerard Collomb, und der Abgeordnete Christophe Castaner Ministerämter erhalten. Alle drei kommen von den Sozialisten, schlossen sich aber früh Macron an. Der Sozialist Jean-Yves Le Drian, der unter Macrons Vorgänger Francois Hollande fünf Jahre lang Verteidigungsminister war, könnte den Posten behalten.

Aus der politischen Mitte werden MoDem-Parteichef François Bayrou, dessen rechte Hand Marielle de Sarnez, die Europapolitikerin Sylvie Goulard und die frühere Staatssekretärin und einstige Chefin der Staatsbahn SNCF, Anne-Marie Idrac, für Regierungsämter gehandelt.

Von den Konservativen könnten Ex-Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire und die Abgeordneten Benoist Apparu und Franck Riester einen Posten bekommen. Immer wieder fällt auch der Name der früheren Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet, die sich wie Le Maire vergeblich um die Präsidentschaftskandidatur der Konservativen beworben hatte. Als Vertreter der Zivilgesellschaft könnte der bekannte Umweltaktivist Nicolas Hulot zum Minister ernannt werden.

Formal gesehen ernennt der Präsident die Minister auf Vorschlag des Premierministers. In der Praxis spielt der Staatschef die entscheidende Rolle bei der Auswahl der Minister.

Die neue Regierung wird am Mittwoch zu ihrer ersten Kabinettssitzung zusammenkommen. Es handelt sich um eine vorläufige Regierungsmannschaft: Nach der Parlamentswahl am 11. und 18. Juni könnten die Karten neu gemischt werden. Denn es ist unklar, ob Macron eine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung bekommt oder eine stabile Regierungskoalition bilden kann. Die konservativen Republikaner, bei denen sich viele in Opposition zu Macron sehen, hoffen auf eine eigene absolute Mehrheit.

Macron empfängt EU-Ratspräsident Tusk

Ebenfalls heute wird Macron EU-Ratspräsident Donald Tusk in Paris empfangen. Die beiden wollten bei einem Mittagessen im Elysee-Palast zusammenkommen, teilte Macrons Büro am Dienstagabend mit. Anschließend wird Macron seine neue Regierung vorstellen.

Tusk hatte die Wahl Macrons zum neuen Präsidenten begrüßt und erklärt, die Franzosen hätten mit ihrer Entscheidung "Nein zur Tyrannei der 'fake news'" gesagt. Der erklärte Pro-Europäer Macron hatte wiederholt institutionelle Reformen in der Eurozone vorgeschlagen - etwa die Berufung eines Finanzministers der Euro-Zone oder die Aufstellung eines gemeinsamen Budgets.

Am Dienstagabend traf Macron UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. Er war der erste ausländische Würdenträger seit dem Amtsantritt Macrons am Sonntag, der zu einem Besuch nach Paris kam.

Macron hatte am Montag seine erste Auslandsreise nach Berlin unternommen, um sich mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu beraten. Sie vereinbarten die Ausarbeitung eines Reform-Fahrplans zur Stärkung der EU, die für die Bürger wieder attraktiver werden solle. Beide zeigten sich dabei auch zur Änderung europäischer Verträge bereit.