In Südkorea hat der für einen Dialog mit dem kommunistischen Norden eintretende Menschenrechtsanwalt Moon Jae-in laut Prognosen die Präsidentenwahl gewonnen. Der linksgerichtete Politiker erhielt laut Nachwahlbefragung dreier Fernsehsender, die am Dienstag nach der Schließung der Wahllokale (20.00 Uhr Ortszeit - 13.00 Uhr MESZ) veröffentlicht wurden, 41,1 Prozent der Stimmen.

Damit setzte sich der 64-Jährige klar gegen seinen konservativen Konkurrenten Hong Joon-pyo durch, für den 23,3 Prozent prognostiziert wurden. Danach folgt der Zentrumspolitiker Ahn Cheol-soo, der mit 21,8 Prozent der Stimmen rechnen kann. Mit ersten sicheren Ergebnissen wurde in der Nacht zum Mittwoch gerechnet. Die TV-Sender wiesen darauf hin, dass sich aus Wählerbefragungen keine präzisen Ergebnisse voraussagen ließen.

Regierungsmacht verloren

Nach fast einem Jahrzehnt verliert die konservative Partei damit die Regierungsmacht. Die Abstimmung hat große strategische Bedeutung für Asiens viertgrößte Volkswirtschaft. Im Präsidialsystem des Landes trifft das Staatsoberhaupt fast alle wichtigen Entscheidungen. Moons Wahlsieg könnte nun eine Kursänderung Südkoreas sowohl gegenüber Nordkorea als auch den USA zur Folge haben. Moon befürwortet einen Dialog mit dem Nachbarn im Norden. Der Streit mit Nordkorea dürfte angesichts jüngster Raketentests besonders viele Südkoreaner an die Wahlurnen getrieben haben. Laut Umfragen könnte die Beteiligung bei bis zu 90 Prozent liegen. Zudem plädiert Moon für eine größere Unabhängigkeit von den USA, die mit Zehntausenden in Südkorea stationierten Soldaten zu den engsten Verbündeten des Landes zählen. Kritiker werfen Moon einen zu zurückhaltenden Kurs gegenüber Pjöngjang vor.

Im Wahlkampf dominiert hatten aber mehr noch als das Thema Sicherheit vor allem wirtschaftspolitische Fragen. Die Arbeitslosenquote bei den unter Dreißigjährigen stieg zuletzt auf zehn Prozent. Der Skandal um Ex-Staatschefin Park schürte zudem bei vielen Südkoreanern Unmut über wachsende Ungleichheit und korrupte Beziehungsgeflechte zwischen den Eliten und den mächtigen Großkonzernen des Landes. Beobachter hatten wegen der Affäre mit einer Abstrafung der konservativen Regierungspartei gerechnet.

"Ich spüre den starken Willen des Volkes, die Regierung zu ändern", sagte Moon am Dienstag bei der Stimmabgabe im Westen von Seoul. Moon ist der Sohn nordkoreanischer Flüchtlinge und ein ehemaliger Menschenrechtsanwalt, der einst wegen Protests gegen die Diktatur von Parks Vater Park Chung-hee in Haft saß.

Die Abstimmung war nötig geworden, nachdem Präsidentin Park Geun-hye wegen eines Korruptionsskandals im März des Amtes enthoben worden war. 2012 war Moon noch knapp der konservativen Park unterlegen. Insgesamt standen 13 Kandidaten zur Wahl. Der neue Präsident soll bereits am Mittwoch ohne die übliche zweimonatige Übergangszeit die Amtsgeschäfte aufnehmen. Etwa 42,5 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die Beteiligung lag bei 77,2 Prozent, wie die nationale Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf die staatliche Wahlkommission berichtete.