Algerien ist an diesem Donnerstag zur Wahl eines neuen Unterhauses im Parlament aufgerufen. Aber womöglich wird wieder nur ein kleinerer Teil der Wahlberechtigten auch zur Stimmabgabe gehen: Trotz der großen Unzufriedenheit im Land ist die Angst vor Veränderungen groß - denn die Erfahrungen des verheerenden Bürgerkriegs in den 1990er Jahren sitzen noch tief. Während die Länder Nordafrikas tiefgreifende Umwälzungen durchmachen und teilweise in Bürgerkrieg versinken, bleibt Algerien relativ stabil. Das flächenmäßig größte Land Afrikas stagniert. Doch die Ruhe ist teuer bezahlt.

Worum geht es bei der Parlamentswahl in Algerien?

Gewählt wird ein neues Unterhaus im algerischen Parlament, das nach der Verfassung maßgeblich für die Gesetzgebung im Land verantwortlich ist. Etwa 23 Millionen Algerier sind zur Wahl gerufen, knapp 12.000 Kandidaten bewerben sich um die 462 Sitze. Da aber die wahre Macht im Staate von einer Herrscherelite ausgeht und Präsident Abdelaziz Bouteflika großteils per Dekret regiert, gaben bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2012 selbst nach offiziellen Angaben nur 43 Prozent der Wahlberichtigten ihre Stimme ab. Die Wahl am Donnerstag gilt jedoch als Stimmungstest, was auch eine mögliche Nachfolge des gesundheitlich angeschlagenen Präsidenten Bouteflika betrifft. Der 80-Jährige sitzt nach mehreren Schlaganfällen im Rollstuhl und tritt kaum mehr öffentlich auf.

Wer regiert in Algerien?

Seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1962 regiert die Nationale Befreiungsfront (FLN) in Algerien - derzeit in einer sozialliberalen Koalition mit der Nationalen Demokratischen Sammlung (RND). Beobachter rechnen damit, dass die Partei von Staatspräsident Bouteflika erneut die stärkste Kraft bei der Wahl werden wird. Die islamistische Opposition ist zerstritten, Teile der Opposition boykottieren die Wahl.

Warum ist die Lage in Algerien wichtig für die Region?

Algerien ist das flächenmäßig größte Land in Afrika und hat rund 41 Millionen Einwohner. Es ist das Stammland der Terrororganisation Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQMI), die sich dort 1998 gegründet hatte. Seitdem versucht die Organisation, ihren Einfluss in Nord- und Westafrika auszudehnen. Die Region ist unruhig: In den algerischen Nachbarstaaten Mali und Libyen herrschen Chaos und Bürgerkrieg. Für die meisten afrikanischen Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa fliehen, geht der Weg derzeit über Libyen. Internationale Organisationen fürchten aber, dass sich die Migrationswege auch in Richtung Algerien verlagern könnten.

Wie ist die aktuelle Situation in Algerien?

Angesichts der Umwälzungen in den Nachbarländern der arabischen Welt ist die Lage in Algerien relativ ruhig geblieben. Der sogenannte Arabische Frühling ist an Algerien ohne tiefgreifende Änderungen vorbeigegangen. Demonstrationen und Streiks begegnete die Regierung in der Zeit nach 2011 mit einer Erhöhung von Subventionen und Sozialleistungen, so dass es nicht zu Massenprotesten gegen die Regierung kam. Allerdings hat sich die wirtschaftliche und soziale Situation in Algerien mittlerweile weiter verschärft. Zuletzt kam es wieder vermehrt zu Protesten. In ihrem jüngsten Länderbericht zu Algerien kritisiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Lage im Land. Es gebe weiterhin willkürliche Festnahmen, Polizeigewalt und Zensur.

Worin liegen die wirtschaftlichen Probleme Algeriens?

Die Wirtschaft und die Einnahmen des Landes sind abhängig von den Erdöl- und Gasexporten. Seit 2014 hat sich der Ölpreis jedoch nahezu halbiert. Die Regierung musste Subventionen zurückfahren. Es kommt vereinzelt zu Protesten. Die Menschen gehen wegen der hohen Arbeitslosigkeit - gerade unter jungen Leuten - und wegen gestiegener Kosten auf die Straße.

Warum werden vermutlich trotzdem nur wenige Menschen zur Wahl gehen?

Algerien ist geprägt vom sogenannten "schwarzen Jahrzehnt" in den 1990er Jahren, als ein erbitterter Bürgerkrieg im Land herrschte. Islamisten und Regierung bekämpften einander, je nach Schätzungen sollen zwischen 60.000 und 150.000 Menschen gestorben sein. Angesichts dieser Erfahrungen setzen die meisten Algerier daher auf Stabilität und Stagnation. Angesichts der Kriege in Libyen, Syrien und im Jemen haben die Menschen Angst, dass es erneut zu Kämpfen kommen könnte.