Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) will noch vor der Nationalratswahl Veränderungen im Sozialversicherungssystem umsetzen. Im Gespräch mit Journalisten zeigte sich Stöger zwar skeptisch, ob die "große, alles verändernde Reform" noch in dieser Legislaturperiode kommen kann. Viele Aspekte der Ergebnisse, die die von ihm in Auftrag gegebene Studie liefern soll, könnten aber realisiert werden.
Stöger gestand zu, dass es nicht leicht werde, auf Basis der von der Studie aufzuzeigenden Optionen dann eine politische Einigung zu erzielen. Gleichzeitig verwies der Minister aber auch darauf, dass von der letzten großen Untersuchung, der sogenannte Häussermann-Studie vor 25 Jahren, auch einige Punkte umgesetzt worden seien.
Experten arbeiten Studie aus
Die Experten der London School of Economics, die vor Weihnachten mit der Ausarbeitung der Studie beauftrag wurden, haben im Jänner ihr Kick Off-Meeting abgehalten. Derzeit befinden sich die Studienautoren in Wien um mit allen Stakeholdern zu sprechen. Mit Vertretern der Sozialpartner, der Sozialversicherungsträger und der Partner im Gesundheitswesen (inklusive Ärzte- und Apothekerkammer) werden diese Woche strukturierte Interviews geführt. Stöger versicherte, dass deren Standpunkte für die Studie berücksichtigt werden. Ende März soll es einen ersten Zwischenbericht mit einer Ist-Analyse und den Problemen im Status Quo und zur Jahresmitte dann den Endbericht geben.
Der Sozialminister sicherte der ÖVP neuerlich zu, deren Wünsche für etwaige Veränderungen beim Studienkonzept noch zu berücksichtigen. Bisher seien aber keine neuen Fragen des Koalitionspartners bei ihm eingetroffen. Die Kritik an der Studie führte der Sozialminister auch darauf zurück, dass manche eine Harmonisierung der Leistungen der Krankenkassen nach unten wollten. Da er aber eine Verbesserung der Leistungen anstrebe, sei er in die Kritik geraten, meinte Stöger. Auch den Vorwurf, keine Ausschreibung für die Vergabe der Studie gemacht zu haben, ließ der Sozialminister nicht gelten. Dies sei bei Forschungsaufträgen nicht sinnvoll und deshalb seien wissenschaftliche Aufträge auch vom Vergabegesetz ausgenommen. Zur Kritik an den Kosten von 630.000 Euro stellte Stöger fest, dass die Studie 1992 damals zehn Millionen Schilling und damit das Doppelte nach heutigem Geldwert gekostet habe.
Stöger erwartet sich von der Studie, dass sie Optionen aufzeigt und eine Grundlage für die politische Entscheidung liefert. Sie solle einen Spiegel liefern, wo das System Stärken und wo es Schwächen habe. Der Auftrag sei bewusst sehr offen gehalten, es gebe "keine Vorgaben, aber eine Bedingung: Einheitliche und bessere Leistungen für die Versicherten". Es gehe darum, das System effizienten zu machen, aber nicht um Einsparungen. Sollten durch mehr Effizienz Mittel frei werden, will sie Stöger in bessere Leistungen investieren. Er will die Leistungen "auf hohem Niveau harmonisieren".
Angleichung der Leistungen
Eine Angleichung der Leistungen ist für den Sozialminister vor allem eine Frage der Gerechtigkeit. Als Beispiele nannte er, dass einige Krankenkassen 52 Wochen Krankengeld zahlen, andere bis zu 78 Wochen, einige zahlen 500 Euro für Kontaktlinsen, andere bis zu 1.300 Euro, bei der Zeckenimpfung gebe es Unterschiede, ebenso bei Kuren.
Geprüft wird auch die Struktur der Sozialversicherungen wobei auch eine Reduktion der derzeit 22 Träger möglich ist. Dabei geht es zunächst um die Frage, welche Vor- und Nachteile das derzeitige Drei-Sparten-Modell (Kranken-, Pensions-, Unfallversicherung) im Vergleich zu einem Zwei-Spartenmodell (ohne Unfallversicherung) hat. Analysiert werden soll aber auch die regionale Gliederung (neun Gebietskrankenkassen) ebenso wie die Gliederung in Berufsstände und teilweise sogar nach Dienstgeber. Weitere Bereiche der Analyse sind u.a. die Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung, die komplizierten Finanzströme, die Verwaltungskosten, die Kosten- und Beitragswahrheit, die Frage der Selbstbehalte, die Zuständigkeiten für Kur und Rehabilitation aber auch der Umgang mit Betrug im Sozialsystem.