Die EU-Kommission hat die britische Regierung aufgefordert, rasch über ihren Kurs nach dem Brexit-Referendum zu entscheiden. Das Vereinigte Königreich müsse in der Austrittsfrage "die Kurve kriegen" und der EU mitteilen, was es wolle, sagte der Vize-Präsident der Kommission, Frans Timmermans. "Es sind nicht die 27 anderen Mitgliedstaaten, die vom Vereinigten Königreich verlangen, zu gehen", sagte der Niederländer Timmermans. "Ich denke, es ist die Pflicht des Landes, das entscheidet zu gehen, uns zu sagen, wie es gehen will."

Erste Sitzung nach Sommerpause

Das britische Kabinett war am Mittwoch erstmals nach der Sommerpause zusammengekommen, um über das weitere Vorgehen mit Blick auf den Austritt zu beraten. Die Kabinettssitzung sollte als erster Schritt zu einem Brexit-Fahrplan dienen. Premierministerin Theresa May hatte den Ministern über die Sommerpause aufgetragen, Ideen zu entwickeln.

"Es wird kein zweites Referendum oder eine Eu-Mitgliedschaft durch die Hintertüre geben", stellte May gleich zu Beginn klar. Sie ist nicht auf die Zustimmung der Abgeordneten angewiesen. Der Brexit wird ohne Wenn und Aber kommen. Man wolle keine Lösung "von der Stange", hieß es. Gemeint ist damit ein Abkommen mit der EU nach dem Vorbild Kanadas, Norwegens oder der Schweiz, die entweder nur sehr eingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt gewähren oder volle Arbeitnehmerfreizügigkeit beinhalten.

May will den offiziellen Austrittsantrag Anfang 2017 stellen. Erst dann beginnen zweijährige Verhandlungen über die Entflechtung der Beziehungen. Solange bleibt Großbritannien EU-Mitglied.

Hinter den Türen rumort es

Medienberichten zufolge ist innerhalb des Kabinetts umstritten, ob Großbritannien den Zugang zum EU-Binnenmarkt aufgeben sollte, um die Arbeitnehmerfreizügigkeit einschränken zu können. Dafür sollen sich Brexit-Minister David Davis und Handelsminister Liam Fox ausgesprochen haben. Das Thema EU-Immigration spielte eine Rolle während des Wahlkampfes zum Referendum über den Brexit.

Uneins soll das Kabinett auch über die Frage sein, ob die Premierministerin das Parlament um Zustimmung bitten soll, bevor sie die Brexit-Verhandlungen mit Brüssel einleitet. Ob es eine rechtliche Verpflichtung dazu gibt, soll ein Gericht ab Oktober klären. Bei einem Parlamentsvotum wäre eine Ablehnung des Brexits nicht ausgeschlossen. May ist Medienberichten zufolge aber entschlossen, das Parlament nicht zu befragen.

Keine harte Linie

Timmermans lehnte es aber ab, in den bevorstehenden Verhandlungen mit Großbritannien über den Austritt und die künftigen Beziehungen unbedingt eine harte Linie zu fahren. "Das Vereinigte Königreich verschwindet nicht, es wird geografisch dort bleiben, wo es ist", sagte er. "In diesem Sinne wird Großbritannien ein europäisches Land bleiben, auch wenn es nicht Mitglied der Europäischen Union ist. Das sollte aus meiner Sicht die Grundlage für die Verhandlungen sein."