Drei Wochen nach dem Brexit-Votum steht in Großbritannien ein Wechsel an der Regierungsspitze an. Die bisherige Innenministerin Theresa May löst am Mittwoch den seit 2010 regierenden Premierminister David Cameron. Ihr wird die historische Aufgabe zufallen, das Land aus der EU zu führen. Im Machtkampf um die Labour-Führung erzielte indes Parteichef Jeremy Corbyn einen Etappensieg.

Rascher als geplant

Der Wechsel in London vollzieht sich damit wesentlich rascher als zuvor geplant. Bereits am Donnerstag oder Freitag könnte May Minister ernennen, hieß es. Forderungen der Opposition nach raschen Neuwahlen ließ sie erneut eine Absage erteilen. Das sei derzeit kein Thema, hieß es in ihrem Umkreis.

Britische Premierminister
Britische Premierminister © APA/dpa/Team

Was passiert mit der Labour-Partei?

Dagegen blieb zunächst unklar, welcher Oppositionsführer der künftigen Premierministerin May gegenüberstehen wird. Das Exekutivkomitee von Labour folgte nämlich am Dienstagabend Corbyns Auffassung, dass er als derzeitiger Parteichef automatisch bei der bevorstehenden Basiswahl des nächsten Parteichefs zur Abstimmung stehe.

Damit muss Corbyn nicht die für andere Bewerber vorgeschriebene Unterstützung von 51 Labour-Abgeordneten zusammenbekommen - was sich für ihn als schwierig hätte erweisen können, weil führende Fraktionsmitglieder den umstrittenen Parteichef so rasch wie möglich loswerden wollen. Im Exekutivkomitee stimmten 18 Mitglieder für eine automatische Kandidatur und 14 dagegen, wie ein Parteisprecher mitteilte.

Bei einem Sieg Corbyns stünde indes der Fortbestand der traditionellen Partei infrage. Im Juni hatte ein großer Teil der Labour-Fraktion ihrem Chef das Vertrauen entzogen. Viele Mitglieder betrachten ihn als überfordert und werfen ihm vor, sich nur halbherzig gegen einen Brexit eingesetzt zu haben. Eine neuerliche Wahl Corbyns zum Parteichef könnte zu einer Spaltung führen.

Cameron reicht Rücktritt bei Queen ein

Anders als bei der Opposition hatte sich bei den regierenden Konservativen die Führungsfrage nach dem Brexit-Referendum überraschend schnell geklärt. Cameron hatte nach dem Brexit-Referendum vom 23. Juni seinen Rücktritt angekündigt. Er steht dem britischen Parlament am Mittwoch in einer Fragestunde letztmals Rede und Antwort. Anschließend wird er bei Königin Elizabeth II. offiziell seinen Rücktritt einreichen.

Danach wird die 59-jährige May als zweite Frau nach Margaret Thatcher die Regierung in Großbritannien übernehmen. May stellte bereits klar, dass es kein Zurück gebe und sie den Brexit zu einem Erfolg machen wolle. Wann May allerdings das Austrittsgesuch in Brüssel einreicht, ist unklar.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte an, sie wolle die designierte Premierministerin in der Brexit-Frage nicht unter Druck setzen. Es müsse "einen Zeitraum geben, in dem die neue Regierung sich auch klar wird: Welches Verhältnis wollen wir zur Europäischen Union haben", sagte Merkel in einem Sat.1-Interview. "Und insofern geben wir jetzt der britischen Regierung die Zeit, sich das genau zu überlegen", dann werde der Antrag "schon eingehen". Sie freue sich, May kennenzulernen, sagte Merkel.