Überall gibt es Weihnachtsfeiern. Gibt es so etwas in der großen Koalition auch?
ALFRED GUSENBAUER: Wir werden einen Bilanzministerrat abhalten, nichts Spektakuläres.

Welche Schulnote würden Sie Ihrem Kabinett am Ende des ersten Regierunsjahres geben?
GUSENBAUER: Ein "Gut", was den Inhalt betrifft. Und was die äußere Form der schriftlichen und mündlichen Arbeit betrifft: Ein schwaches Befriedigend.

Diese Regierung regiert nicht, sie amtiert.
GUSENBAUER: Sagt wer?

Die Neue Zürcher Zeitung, die Ihr Vorgänger gerne zitiert hat.
GUSENBAUER: Wir haben zwei wesentliche Veränderungen erreicht. Und das kann nicht von "Amtieren" kommen: Österreich ist sozialer geworden, da ist eine Kurskorrektur erfolgt. Österreich hat sich verändert. Pensionserhöhung, Mindestsicherung, gestiegene Sozialausgaben - das sind Elemente, die den sozialen Zusammenhalt stärken. Außerdem haben Bildung, Wissenschaft, Innovation einen anderen Stellenwert als vor zwei, drei Jahren.

. . . aber da wird nur debattiert.
GUSENBAUER: Das ist nicht wahr. Wir haben die Förderung für zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtungen beschlossen, das verpflichtende Kindergartenjahr für die, die nicht Deutsch können, die Berufsmatura, die "Neue Mittelschule" - Mosaiksteine aus einem breiten Versuch, das Chancenwesen zu modernisieren.

Sie haben sich den Ruf eines Wellness-Kanzlers erworben, der immer nur populär sein möchte und den Menschen keine Notwendigkeiten abverlangt.
GUSENBAUER: Ich sehe nicht ein, wieso es den Menschen in einem Land mit einem sensationellen Wirtschaftswachstum nicht gut gehen sollte. Also, falls jemand glaubt, dass mein Job darin besteht, zu sagen, es geht uns zwar wunderbar, aber die Bevölkerung soll jetzt einmal büßen - das ist nicht meine Aufgabe. Ich bin dafür zuständig, dass der Wohlstand gerecht verteilt wird. Wobei es natürlich Dinge gibt, die erledigt werden müssen. So war es alles andere als populär, die Mineralölsteuer zu erhöhen, aber aus Umweltschutzgründen notwendig.

Andere Notwendigkeiten lassen auf sich warten: Die Staatsreform zum Beispiel.
GUSENBAUER: Das, was wirklich Einsparungen bringt, die Kompetenzverteilung, liegt vor uns. Etwa in der Schulverwaltung.

Auch die Finanzierung des Gesundheitssystems bleibt ungelöst. Die Wiener GKK ist pleite.
GUSENBAUER: Nicht nur die Wiener GKK hat Probleme, auch die niederösterreichische, die Kärntner, die steirische. Bevor wir darüber reden, woher das Geld kommen soll, um die Kassen zu sanieren, müssen die betroffenen Krankenkassen sagen, worin ihr Beitrag besteht. Diese Diskussion werden wir ihnen nicht ersparen.

Haben Sie eine Privatversicherung?
GUSENBAUER: Nein, ich hab' keine.