Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beschäftigt sich am Mittwoch mit zwei Fällen von großer Tragweite für den seit fast 20 Jahren ungelösten Konflikt um die überwiegend von Armeniern bewohnte, in Aserbaidschan gelegene Region Berg-Karabach. Die Klagen wurden von einer aserbaidschanischen Familie gegen die Regierung in Eriwan, sowie von einer armenischen Familie gegen Baku eingebracht.
Beide Familien werfen der Regierung der Gegenseite vor, ihnen die Rückkehr in die Wohngebiete und Entschädigungen aus ethnischen Gründen zu verweigern. Formal handelt sich um zwei Individualklagen, doch wird dem Urteil des Gerichtshofes Bedeutung für hunderte ähnlich gelagerte Fälle beigemessen, die in Straßburg anhängig sind. Die Regierung Aserbaidschans wird vom britischen Rechtsprofessor Malcolm Shaw und vom österreichischen Anwalt Gabriel Lansky vertreten. Insider am Europäischen Gerichtshof sprechen davon, dass es sich bei den beiden Klagen um "versteckte Staatenklagen" der beiden verfeindeten Länder handelt.
Lansky merkte an, dass die in Straßburg verhandelte Problematik insgesamt rund 900.000 Flüchtlinge und Vertriebene auf aserbaidschanischer Seite und 380.000 auf armenischer Seite betreffe. Dementsprechend hoffe er, dass der Gerichtshof "eine friedensstiftende Entscheidung" im Hinblick auf die Beilegung des Konflikts fällen werde.
Im Fall "Chiragov gegen Armenien" geht es um eine aserbaidschanische Familie, die zwischen Berg-Karabach und der armenischen Grenze gelebt hatte und durch die armenische Besetzung des Korridors vertrieben wurde. Das Haus der Aseris ging ebenso in Flammen auf wie mehrere Ortschaften in der Umgebung der Stadt Lachin. Die Kläger machen geltend, dass sie aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit daran gehindert wurden, in ihr angestammtes Wohngebiet zurückzukehren.
Im Fall Sargsyan gegen Aserbaidschan geht es im Gegenzug um eine armenische Familie die zwischen aserbaidschanische und armenische Truppen geriet und ebenfalls vor Kampfhandlungen und Bombardierungen fliehen musste. Das Haus der Familie wurde, so die Klagschrift, völlig zerstört.