Als hätte es noch eines Beweises bedurft, der deutliche Wahlsieg in gleich fünf Ostküsten-Bundesstaaten – unter anderem New York und Pennsylvania – schaffte endgültige Klarheit: Mitt Romney wird Amtsinhaber Barack Obama am 6. November im Kampf um das höchste politische Amt der USA herausfordern. Ron Paul mag zwar pro forma noch im Rennen sein, längst aber haben sich die Republikaner - wenn auch teilweise widerwillig – hinter ihrem Kandidaten für die Präsidentschaft versammelt. "Nach 43 Vorwahlen kann ich mit Überzeugung und Dankbarkeit sagen, dass Sie mir eine große Ehre haben zuteil kommen lassen und mir eine ernsthafte Verantwortung übertragen haben", erklärte Romney in Manchester (New Hampshire).
Damit ist das Rennen um die neue Nummer eins im Weißen Haus wohl offiziell eröffnet, und längst rätseln US-Medien und politische Beobachter, wer wohl als "running mate" Romneys, also als Kandidat für den Vizepräsidenten, fungieren wird. Einer der aussichtsreichsten Bewerber ist mit Marco Rubio einer der Jung-Stars der Republikaner. Am Montag zeigten sich Romney und der 40-jährige Senator aus Florida bei einem gemeinsamen Wahlkampfauftritt in Aston (Pennsylvania), nachdem Rubio Ende März öffentlich seine Unterstützung für den Ex-Gouverneur von Massachusetts und Multimillionär deponiert hatte, wenn auch spürbar ohne großen Enthusiasmus: Romneys Wahlprogramm biete einen starken Kontrast zu dem von Obama. Für sich selbst schloss Rubio dabei aus, im Wahlkampf 2012 eine prominente Rolle zu spielen.
Rubio soll Hispanics anziehen
Doch wer ist Marco Rubio, der für viele als "Kronprinz" der radikalen Tea-Party-Bewegung gilt, die in den vergangenen Jahren die Politik der "Grand Old Party" wesentlich mitbestimmte. Geboren am 28. Mai 1971 in Miami (Florida) als Sohn kubanischer Immigranten, startete Rubio nach dem Jus-Studium eine steile politische Laufbahn, die ihn bis ins Repräsentantenhaus des "sunshine state" führte, ehe ihm im Jänner 2011 der Sprung in den Senat in Washington D.C. gelang – beflügelt vom rasanten Aufstieg der Tea-Party-Bewegung. Ein politischer Beobachter ging sogar so weit, ihn als "Michael Jordan der Republikaner" zu bezeichnen, angelehnt an den größten Basketballer aller Zeiten.
Rubios größtes "Asset" für Romney liegt auf der Hand: seine lateinamerikanischen Wurzeln könnten der republikanischen Partei im "swing state" Florida wichtige Wählerstimmen bei den Hispanics einbringen, der am rasantesten wachsenden Minderheit in den Vereinigten Staaten. Auch Rubios Frau – Jeanette Dousdebes, einst Cheerleaderin beim NFL-Klub Miami Dolphins – hat einen Latino-Background (Kolumbien), gemeinsam hat das Paar vier Kinder. Beim wichtigen Thema Immigration machte Rubio erst kürzlich den kontroversiellen Vorschlag, illegalen Immigranten Visa zu geben, ohne sie Staatsbürger werden zu lassen.
Auch sonst präsentiert sich Rubio stramm konservativ: In der Frage, ob Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen die "Pille" finanzieren müssen – ein umstrittener Passus in der Obama-Gesundheitsreform – schloss sich der 40-Jährige den wütenden Protesten seiner Parteifreunde an, die einen "beispiellosen Angriff auf die Religionsfreiheit" witterten. Zweifelsohne gilt Rubio längst als einer der Hoffnungsträger seiner Partei, fraglich ist aber, ob er überhaupt dazu bereit ist, sich bereits heuer an der Seite Romney in die Niederungen der politischen Auseinandersetzung zu begeben, auf die Gefahr hin, am 6. November auf der Verliererseite zu landen.
Unangenehme Erinnerungen an Sarah Palin
Damit würde sich Rubio nämlich womöglich auch die eigenen Ambitionen für die Präsidentschaftskandidatur 2016 zerstören, zumal seine relative Unerfahrenheit im politischen "Zirkus" Washington durchaus gegen eine Kandidatur an der Seite Romneys spricht. Der Vizepräsident sollte nämlich im Notfall ein würdiger Vertreter seines Chefs sein, so manchen im republikanischen Partei-Establishment ist der Name Sarah Palin jedoch nur allzu geläufig. Die ehemalige Gouverneurin von Alaska war 2008 an der Seite John McCains in den Wahlkampf gezogen – und hatte wenige Chancen auf ein Fettnäpfchen ausgelassen. "Politisch muss es jemand sein, der keinen Schaden anrichtet", verweist der erfahrene Parteistratege Charlie Black daher auf eine wichtige Eigenschaft des möglichen Vice President.
Die Nummer zwei sollte zudem nicht selbst zu ambitioniert sein, allerdings genug Zugkraft besitzen, um etwa unentschlossene Wähler in den so genannten "swing states" ins republikanische Lager zu ziehen. Ein strenges Anforderungsprofil, weshalb Romneys Team derzeit auch intensiv Lebensläufe sondiert und mögliche Kandidaten unter die Lupe nimmt. In der engeren Auswahl ist derzeit auch Rob Portman, ein erfahrener Senator aus Ohio, der Romney den wichtigen "buckeye state" einbringen könnte: Noch kein Republikaner wurde Präsident, ohne in Ohio reüssiert zu haben. Als heißer Kandidat gilt auch Paul Ryan, der 42-jährige Budgetexperte repräsentiert im Kongress den Bundesstaat Wisconsin. Außenseiterchancen haben auch die Gouverneure Chris Christie (New Jersey) und Susana Martinez (New Mexico).
Rubio erklärte am Sonntag übrigens eher vage auf CNN, er "respektiere" den Prozess der Entscheidungsfindung – und lud für Mittwoch zu einer außenpolitischen Rede in Washington D.C.. Ein Signal, dass hier jemand bereits mit höheren Weihen spekuliert? "Er mag warten können, seine Partei kann aber nicht auf ihn warten", erklärte ein Polit-Beobachter zum Hoffnungsträger der Republikaner, der übrigens eine interessante Parallele zu Mitt Romney aufweist: Zwischen seinem achten und seinem elften Lebensjahr war Rubio während eines Aufenthalts in Las Vegas Mormone, mittlerweile gehört er der römisch-katholischen Glaubensrichtung an. Er mag zwar offiziell abgewunken haben, kürzlich ließ Rubio in einem Interview, zu seinen eigenen Ambitionen fürs Weiße Haus befragt, jedoch unbewusst erkennen, dass er sich eine VP-Kandidatur durchaus überlegen könnte: "Wenn ich einen guten Job als Vizepräsident erledigt habe ...", erst dann korrigierte er auf "Senator".