Nach dem gescheiterten Abspaltungsreferendum verbleiben die Schotten im Vereinigten Königreich. Die vor mehr als 300 Jahren aus der Not geschlossene Vernunftehe wird nicht geschieden. Es steht indes nicht zu erwarten, dass aus der langen Hassliebe nun innige Harmonie wird. Ein Überblick über die Geschichte einer schwierigen Beziehung:
Schotten und Engländer sind schon Kontrahenten, als sie noch gar keine eigenständigen Nationen bilden. Der von den Römern im Jahr 122 als Grenzzaun errichtete Hadrianswall markiert bis heute die historische Rivalität zwischen beiden Völkern. Geeint werden die im heutigen Schottland lebenden Pikten und Skoten im neunten Jahrhundert von Kenneth MacAlpin, der als erster König von Schottland gilt und 858 starb. Als dessen Dynastie zerbricht, erobert 1296 der englische König Edward I. Schottland und provoziert damit jahrzehntelange Unabhängigkeitskriege, die bis 1357 dauern.
Aus Sicht der Historiker werden die Schotten erst durch die Kriege gegen die Engländer zu einer richtigen Nation, als Schlüsselereignis gilt der Sieg gegen England bei der Schlacht von Bannockburn im Jahr 1314. Bis heute berufen sich schottische Patrioten auf diesen Triumph. Im Jahr 1502 schließen der schottische König James IV. und Englands König Heinrich VII. einen "Vertrag über ewigen Frieden" und James nimmt Heinrichs Tochter Margaret zur Frau.
Dieser Schritt bereitet den Boden für die Union of the Crowns (deutsch: Vereinigung der Kronen) im Jahr 1603, die auch nach dem anstehenden Referendum am 18. September fortdauern soll. Zwei Jahrhunderte hält diese Abmachung, bis sich Schottland im 17. Jahrhundert beinahe ruiniert bei dem Versuch, eine eigene Kolonie in Panama zu errichten. Hinzu kommt ein schwelender Streit um die Thronnachfolge. In einer Kompromisslösung formen England und Schottland 1707 das Vereinigte Königreich.
"Schottland ist heute über die Beziehung zu England gespalten und Schottland war es damals", sagt der Historiker Chris Whatley von der Universität im schottischen Dundee. Schottland habe damals gedroht, den Anschluss an Europa zu verlieren und deshalb auf Englands Handelsflotte und Kolonialreich geschielt. Die Union mit England sei nicht populär gewesen, sagt Whatley. "Aber unter den gegebenen schwierigen Umständen war es im besten Interesse Schottlands."
Das Kalkül geht auf, auch wenn der Wohlstand nicht unmittelbar Einzug hält im Norden. Unter britischer Flagge werden in Schottland so weltbewegende Erfindungen gemacht wie das Telefon, Fernsehen, Penizillin, Radar, Dampfmaschinen, Luftdruckreifen und die grundlegende Theorie des modernen kapitalistischen Wirtschaftens, geschrieben vom Schotten Adam Smith.
Der führende Schottland-Historiker Tom Devine spricht im Interview mit der Zeitung "Guardian" von einer pragmatischen Entscheidung. "Der Bund zwischen England und Schottland war keine Liebeshochzeit. Es war eine Zweckehe", sagt Devine.
Wesentliche Fundamente der Partnerschaft hätten heute an Bedeutung verloren, sagt Devine. Großbritannien sei kein Imperium mehr. Die gemeinsame Klammer des protestantischen Glaubens habe an Bedeutung verloren. Großbritannien werde auch nicht mehr zentralistisch regiert. Die Gründe für die bis 1980 währende Stabilität der Beziehung, sagt Devine, seien "entweder verschwunden oder größtenteils verwässert".