Man könnte es sich einfach machen und sagen: Alles ist besser als eine Koalition von Nehammer, Babler, Meinl-Reisinger oder womöglich gar Kogler. Dazu braucht man nur ein paar Fragen zu stellen: Welches Ministeramt kann man sich etwa für Andreas Babler vorstellen? Glaubt jemand ernstlich, mit noch weniger Arbeit und noch mehr Steuern wird das Land wohlhabender?

Oder sollen wir uns anschauen, wie Frau Meinl kontrolliert, was mit den 25.000 geschieht, die sie jedem 18-Jährigen geben will und wo sie 20.000 Lehrer hernimmt, wie sie sie einsetzt und bezahlt, wo sie doch Steuern senken will? Soll vielleicht Leonore Gewessler weiter jedes Straßenbau-Projekt, das ihr nicht gefällt, blockieren dürfen?

“Die ÖVP muss das Risiko mit der SPÖ eingehen”, schrieb Heidi Glück, eine wichtige Mitarbeiterin von Wolfgang Schüssel in der Zeit der schwarz-blauen Koalition dieser Tage. Welches Risiko? Eine schwarz-rote (bzw. umgekehrt) Koalition kennen wir schon seit Jahrzehnten. Es ist jene Regierungsform, die zu Stagnation und Reformstau geführt und Schüssel dazu bewogen hat, stattdessen mit der FPÖ zu regieren. Die tüchtige Frau Glück hat dabei mitgeholfen, diese sieben Jahre zur besten Zeit für Österreich seit Langem zu machen.

Zwang zu Regieren kann Populisten mäßigen

Nein. Die ÖVP muss das Risiko mit der FPÖ eingehen! Sie muss dabei womöglich nicht einmal auf den Kanzler verzichten, wenn Herbert Kickl akzeptiert, dass ihn der Bundespräsident nicht dazu machen will. Wobei: So wichtig ist ein Kanzler, der keine Richtlinienkompetenz hat, auch wieder nicht. Man hat ja gesehen, wie die Grünen Karl Nehammer vorgeführt haben. Vizekanzler kann die ÖVP aus jahrzehntelanger Erfahrung ohnehin.

Für eine solche Koalition gibt es zwei Gründe: Die Möglichkeit und der Zwang zu regieren, kann rechte Parteien und Populisten zu Mäßigung und Pragmatismus führen und zu Kompromissen zwingen. Eine solche Partei muss dann ihren Wählern zeigen, dass sie ihre Versprechungen erfüllen kann. Die Erfahrungen mit der FPÖ als Regierungspartei waren im Großen und Ganzen nicht so schlecht wie sie gemacht werden.

Der zweite Grund ist der eigentlich wichtige: Nur eine Koalition aus FPÖ und ÖVP bietet Aussicht darauf, dass die beiden großen Aufgaben angegangen werden, vor denen die Republik steht: Österreich aus der Rezession zu holen und wieder auf wirtschaftlichen Erfolgskurs zu bringen. Dabei kann paradoxerweise die FPÖ mit ihrem neuerdings marktwirtschaftlichen Programm die ÖVP von ihrem sozialpaternalistischen Kurs abbringen.

Die zweite große Aufgabe ist die Beendigung der unkontrollierten Zuwanderung. Das wird nur gehen, wenn man in der EU eine Koalition der Willigen schafft, die die jetzigen rechtlichen Grundlagen der EU-Migrationspolitik in Frage stellt. 

Beginnen wir mit dem Grundsätzlichen: Vergangenen Sonntag wurde der Nationalrat gewählt – nicht die künftige Regierung. Diese wird laut Verfassung vom Bundespräsidenten ernannt. Wer eine Mandatsmehrheit im Nationalrat hinter sich weiß und wer das Vertrauen des Bundespräsidenten genießt, kann in Österreich Kanzler werden.

Herbert Kickl verfügt weder über das eine, noch über das andere. Zwar hat seine FPÖ bei der Nationalratswahl 29,1 Prozent der Wahlberechtigten hinter sich versammelt; von einer absoluten Mandatsmehrheit ist sie aber weit entfernt. Die Selbstbezeichnung als „Volkskanzler“ ist also nur (auto)suggestive Propaganda. Und der Vorwurf des „undemokratischen Machtgehabes“ gegenüber den anderen Parteien, die 71 Prozent der Wahlberechtigten repräsentieren, deplatziert.

Ebenso misstraut der Bundespräsident (zumindest bislang) dem FPÖ-Chef. Man sollte Leute eben nicht vorschnell „senile Mumie“ nennen. Auch sollte man nicht Aktionen gesetzt haben, die daran zweifeln lassen, dass man die Grundpfeiler der liberalen Demokratie respektiert: den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft.

Wie sehr das diesbezügliche Misstrauen berechtigt ist, zeigt nicht nur der aggressive Umgang des FPÖ-Chefs mit kritischen Journalistinnen und Journalisten bei Interviews oder Wahlfeiern, sondern auch der Blick in sein Wahlprogramm. „Unser gemeinsames freiheitliches Ziel ist es, den Auflösungsprozess unseres Staates zu stoppen und unserer Republik Österreich wieder die volle Verfügungsgewalt über die drei wesentlichen Elemente - Regierung, Raum und Volk - zu verschaffen.“ Übersetzt bedeuten diese raunenden Sätze nicht nur den Umbau des Staates, sondern auch den Kampf gegen das gemeinsame Projekt Europa. Wie sein Vorbild Viktor Orbán würde Kickl die EU von innen torpodieren – und damit ihr Gewicht gegenüber den USA und China weiter schwächen.

Richtig gefährlich wäre ein Kanzler Kickl im Bereich der inneren Sicherheit: Ausländische Nachrichten- und Geheimdienste haben längst klargemacht, dass sie bei einem Regierungseintritt der russlandfreundlichen FPÖ ihre Weitergabe von Informationen überdenken würden. Unter Kickl wäre die Verwundbarkeit gegenüber Terroristen also größer denn je.

All das rechtfertigt jedes Misstrauen gegenüber Kickl. Will die ÖVP nun nicht selbst jedes Vertrauen verspielen, muss sie Wort halten, eine Koalition mit Kickls FPÖ (und eine andere gibt es nicht!) weiter ausschließen und andere Mehrheiten suchen.

„Das Beste aus drei Welten“? Wird nicht einfach. Aber eine Kooperation mit dem „Systemsprenger“ Kickl oder die Hoffnung, dass er sich selbst entzaubern würde, wäre purer Hasard.