Fünf Tage nach der geschlagenen Nationalratswahl startet Bundespräsident Alexander Van der Bellen seine Gespräche mit den Chefs jener fünf Parteien, die den Sprung ins Parlament geschafft haben. Den Anfang machte den Usancen folgend der Erstplatzierte, Herbert Kickl.
Überpünktlich um 13 Uhr traf der FPÖ-Chef in der Präsidentschaftskanzlei ein, dort wurde er im Maria-Theresienzimmer vom Bundespräsidenten in Empfang genommen. Kickl trug eine blaue Krawatte, der Empfang war zwar nicht kühl, aber auch nicht gerade herzlich.
Karl Nehammer und Andreas Babler sind am Montag an der Reihe, Beate Meinl-Reisinger und Werner Kogler am Dienstag. Die anderen Spitzenkandidaten, Dominik Wlazny, Tobias Schweiger oder Madeleine Petrovic, haben keinen Termin erhalten, weil sie bei der Regierungsbildung keine Rolle spielen.
Kickl ist einziger Minister, der entlassen wurde
Das Treffen ist insofern pikant, weil Kickl das bisher erste und letzte Regierungsmitglied seit 1945 ist, das vom Bundespräsidenten entlassen worden ist. Nach Ibiza und dem Rücktritt der Kurz-Regierung im Mai 2019 wollte Kickl nicht weichen, der damalige Kanzler Sebastian Kurz schlug dem Bundespräsidenten deshalb dessen Entlassung vor, Van der Bellen vollzog den Akt.
Verhältnis schwer zerrüttet
Seit damals ist das Verhältnis zwischen Kickl und Van der Bellen schwer zerrüttet. Vor allem der FPÖ-Chef arbeitet sich bei jedem zweiten öffentlichen Termin am Bundespräsidenten ab, beim politischen Aschermittwoch in Ried ließ er sich sogar zur Bemerkung hinreißen, in der Hofburg sitze „eine Mumie.“
Heute keine Vorentscheidung
Wie die Kleine Zeitung in Erfahrung bringen konnte, ist der Kickl-Termin in der Hofburg auf eine Stunde angesetzt. Van der Bellen will sich anschließend nicht äußern. Dass Kickl als einziger Spitzenkandidat noch diese Woche und die anderen Parteichefs erst nächste Woche empfangen wird, sei auf terminliche Gründe zurückzuführen.
Auch Van der Bellen pokert
Bei den fünf Terminen will Van der Bellen vor allem die Kompromissbereitschaft der Parteichefs im Hinblick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung ausloten, so auch beim Kickl-Termin. Wie es weitergeht, wird der Bundespräsident nach Abschluss der ersten Gesprächsrunde bekanntgeben.
Steiermark-Wahl bestimmt Kalender
Dass sich Van der Bellen nicht vorstellen kann, Kickl als Kanzler anzugeloben, ist kein Geheimnis. Offen ist allerdings die Frage, ob der Chef in der Hofburg den Wahlsieger mit Sondierungsverhandlungen, wenn nicht sogar mit der Regierungsbildung beauftragt - in der Annahme, dass Kickl ohnehin keinen Partner für eine parlamentarische Mehrheit findet.
Wider die Opferrolle
Dem Vernehmen nach könnte sich Van der Bellen doch ein solches Szenario vorstellen. Bei dem Poker um die Macht spielen die Vorarlberg-Wahl am 13. Oktober sowie die Steiermark-Wahl am 24. November eine Schlüsselrolle. Der FPÖ soll nicht im Vorfeld der beiden Wahlen die Gelegenheit gegeben werden, sich im Vorfeld der Wahl als Opfer zu inszenieren.