Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) wird in der neuen EU-Kommission für Migration und Inneres zuständig sein. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentierte am Dienstag in Straßburg ihre Liste mit den Namen ihres neuen Teams und den zugeteilten Portfolios. Sechs Exekutiv-Vizepräsidentinnen und -präsidenten für die besonders relevanten Themen sind vorgesehen, davon sind vier Frauen und zwei Männer. Von der Leyen betonte, dass ihrem Team 40 Prozent Frauen angehörten.
Von der Leyen sagte in ihrer Pressekonferenz, sie sei überzeugt, dass Brunner das ihm zugewiesene Dossier Migration „exzellent beherrschen“ werde. Für alle Kandidierenden gelte, dass sie Kommissarinnen und Kommissare sein würden, die politische Verantwortung tragen und keinen technischen Hintergrund haben müssten: „Brunner hat einen juristischen Hintergrund und einen ausgezeichneten Hintergrund als Minister.“
„Eine große Auszeichnung für Österreich“
In einer ersten Reaktion meinte Bundeskanzler Karl Nehammer, dass dies eine „große Auszeichnung“ für Österreich sei. Er sehe das als Vertrauensbeweis gegenüber Österreich, das das Thema in den letzten Jahren in den EU-Gremien aufs Tapet gebracht habe.
Der Kanzler verbindet mit der Entscheidung die Hoffnung auf einen Kurswechsel in der Asyl- und Migrationspolitik. „Brunner ist künftig für die Neuausrichtung der europäischen Migrationspolitik verantwortlich.“ Ziel sei zum einen der Ausbau des Außengrenzschutzes, zum anderen sollten jene Länder, die bereits heute überproportional viele Asylwerber - wie Österreich - aufgenommen haben, entlastet werden.
Umstrittener Rechtspolitiker Fitto erhält Schlüsselposition
Als Vizepräsident für Kohäsion, Regionalpolitik und Reformen wurde der umstrittene Italiener Raffaele Fitto der Rechtsaußenpartei Fratelli d‘Italia von Regierungschefin Giorgia Meloni gesetzt. Die Spanierin Teresa Ribero erhält das Ressort Wettbewerb und soll für grünen und digitalen Wandel zuständig sein. Die Finnin Henna Virkunen wird Vizepräsidentin für Souveränität und Sicherheit. Der französische Außenminister Stéphane Séjourné erhält das gewichtige Ressort für Industrie, Binnenmarkt und kleinere und mittlere Betriebe. Die rumänische EU-Abgeordnete Roxana Minatzu erhält die Bereiche Bildung und Skills. Die letzte im Bunde ist die EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas.
Zum Kommentar
Der derzeitige slowakische Vizepräsident Maroš Šefčovič erhält das neue Portfolio für Handel und wirtschaftliche Sicherheit. Auch das bisherige Kommissionsschwergewicht Valdis Dombrovskis erhält mit Produktivität und Wirtschaft erneut ein Schlüsselressort. Der bisherige Erweiterungskommissar Olivér Várhely ist in Zukunft für Gesundheit und Tierwohl zuständig. Der Niederländer Wopke Hoekstra bleibt Kommissar für Klima und sauberes Wachstum. Mit Litauens Ex-Premierminister Andrius Kubilius erhält die EU-Kommission erstmals ein Ressort für Verteidigung.
Französischer EU-Kommissar Breton trat zuvor zurück
Die Slowenin Marta Kos, die von Seiten Sloweniens noch nicht formell bestätigt ist, soll Erweiterungskommissarin werden. Portugals Ex-Finanzministerin Maria Luís Albuquerque erhält das Ressort für Finanzmarkt und Investitionsunion, für das auch Brunner im Gespräch war. Rechtsstaatlichkeit und Justiz erhält der Ire Michael McGrath, Landwirtschaft der Luxemburger Christophe Hansen. Der polnische EU-Botschafter Piotr Serafin wird das Haushaltsressort von Johannes Hahn (ÖVP) übernehmen.
Von der Leyen besprach am Dienstagmorgen zuerst mit den Fraktionsvorsitzenden der EU-Parlamentsparteien ihre Liste. Die Präsentation der neuen EU-Kommission war bis zuletzt nicht fix: Nach dem plötzlichen Rückzug des französischen EU-Kommissars Thierry Breton und der Nachnominierung von Außenminister Stéphane Séjourné fehlte weiterhin die formelle Nominierung der slowenischen Kandidatin Marta Kos. Nach der Präsentation der Liste ist das EU-Parlament am Zug: Die Anhörungen der Kommissionsanwärter in den zuständigen Fachausschüssen könnten Mitte Oktober starten. Die gesamte Kommission muss final vom Parlament abgesegnet werden, bevor sie planmäßig mit 1. Dezember starten kann.
Reaktionen aus der österreichischen Politik
FPÖ-Chef Herbert Kickl postete auf Facebook: „In Wahrheit bräuchte es einen Kommissar für REMIGRATION anstatt für Migration. Damit es endlich eine ‚Festung Europa‘ gibt – so wie es Australien schon macht. Aber dafür hat die ÖVP eben kein Personal.“ Als „Kabinett des politischen Grauens“ bezeichnete FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky die neue EU-Kommission in einer Aussendung: „Mit einer handverlesenen Wahl brüsselhöriger EU-Zentralisten sowie Eurokraten droht der gesamte Kontinent noch stärker eine negative Entwicklung zu nehmen.“ „Mit der Nominierung von Brunner sei ‚die Gefahr hoch, dass der gesamte Migrationsirrsinn mit Asyl- und Sozialbetrug munter weitergeht‘“. Vilimsky hofft, dass mit den Nationalratswahlen auch eine Änderung für Österreich in der EU-Kommission möglich werden könnte, statt eines Zuwanderungskommissars Brunner brauche es einen Remigrationskommissar.
Für SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried ist die Entscheidung der EU-Kommissionspräsidentin zu Brunner „durchaus überraschend“: „Offenbar wollte die Kommissionspräsidentin dem österreichischen ÖVP-Finanzminister nicht näher liegende Themen wie Wirtschaft oder Finanzen anvertrauen. Vielleicht nicht ganz unverständlich angesichts der Bilanz Brunners.“ Was es dringend brauche, „sind eine solidarische und faire europäische Verteilung und Zusammenarbeit sowie das Einhalten des europäischen Rechts“. SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder kommentierte: „Mit dieser Aufgabe steht Brunner vor einer großen Herausforderung, bei der er unter Beweis stellen muss, dass er mehr kann als destruktive Migrationspolitik betreiben, wie die ÖVP es in den letzten Jahren getan hat.“
Der NEOS-Delegationsleiter im EU-Parlament, Helmut Brandstätter, sieht das Portfolio für Brunner als Signal und europäischen Auftrag an eine künftige Bundesregierung. Die ÖVP sei in den vergangenen Jahren immer wieder als Blockierer aufgefallen. „Vor allem das Schengen-Veto der ÖVP in Bezug auf die Länder Rumänien und Bulgarien hat dazu geführt, dass wir immer noch keine lückenlose und einheitliche Außengrenze haben.“
Der grüne Delegationsleiter, Thomas Waitz, gratuliere Brunner zu seiner neuen Aufgabe, „die groß und herausfordernd ist“. Waitz: „Ich erwarte mir, dass er die Europäische Menschenrechtskonvention und das Genfer Flüchtlingsabkommen hochhält und ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedsstaaten forciert.“
Der Präsident der Europäischen Bewegung Österreich (EBÖ), Christoph Leitl, sagte: „Das ist eine Chance für Österreich, nämlich aus Kritik Mitwirkung zu machen!“