2018 hat die SPÖ-Lehrergewerkschafterin Susanne Wiesinger mit ihrem Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ eine Debatte über Auswirkungen des konservativen Islam an Schulen losgetreten. Nun legt Christian Klar, Direktor einer Brennpunktschule in Wien-Floridsdorf und ÖVP-Bezirkspolitiker, mit seiner Bestandsaufnahme „Was ist los in unseren Schulen?“ nach. Nationalistische und religiöse Tendenzen würden überhandnehmen, sagt er. Ein Befund, den Lehrervertreter teilen.

Christian Klar ist seit 40 Jahren Schuldirektor und Lehrer in Wien
Christian Klar ist seit 40 Jahren Schuldirektor und Lehrer in Wien © christian-klar.at

In seinem am heutigen Freitag erscheinenden Buch warnt Klar, seit 40 Jahren Lehrer und Schulleiter, vor aktuellen Entwicklungen - viele in Zusammenhang mit einer immer größeren Rolle des Islam im Schulalltag. Er erzählt von der Verachtung anderer Religionen durch muslimische Schülerinnen und Schüler, von Andersgläubigen, die gemobbt werden und von Mädchen, die Kopftuch tragen, um sich vor Mitschülern zu schützen, für die unverhüllte Frauen „Huren“ sind. Immer öfter würden Mädchen auch aus Überzeugung Hijab - einen Umhang, der das Gesicht eng umrandet und Kopf und die Schultern locker verhüllt - und das islamische Kleid Abaya tragen oder sich gar vollverschleiern. „Wir brauchen eine starke Schule, in der Grundhaltung und Werte einer Demokratie vorgelebt und durchgesetzt werden, damit diese sich bei den Kindern entwickeln kann“, fordert Klar in seinem Buch. Denn die Schule sei ein Ort, wo man noch steuern könne, wenn man den Mut habe, für seine Haltungen einzutreten.

Kinder im Ramadan unterzuckert

Für Thomas Krebs (FCG) beschreibt Klar in seinem Buch eine flächendeckende Entwicklung in Wien. Die Dynamik sei dabei enorm, sagt er zur APA. Während des Ramadan etwa sei wegen des immer weiter verbreiteten und früheren Fastens kaum mehr normaler Unterricht möglich, weil die Kinder unterzuckert und dehydriert keine kognitive Leistung bringen könnten. Mittlerweile würden auch zunehmend Volksschüler fasten, obwohl Kinder eigentlich davon ausgenommen seien. Auch der Sportunterricht werde durch aus der Religion abgeleitete Regeln schwieriger, etwa wenn Mädchen kein Turngewand anziehen oder das Kopftuch nicht ablegen wollten. Immer öfter kämen auch Forderungen nach Gebetsräumen an den Schulen. ÖVP-Lehrervertreter Krebs sorgt dabei vor allem das „Auseinanderdividieren“: „Das Entscheidende ist ja, die Gemeinsamkeit zu fördern“, das werde in einer multikulturellen Gesellschaft in einer Großstadt schließlich dringend gebraucht.

Demokratie als Schwäche ausgelegt

„Es wird zunehmend das Ablehnen einer säkularisierten liberalen Gesellschaft nach Außen getragen, auch das Ablehnen der Demokratie, die als Schwäche ausgelegt wird. Das wird von Schülerinnen und Schülern massiv vor sich hergetragen“, zeigt sich der ÖVP-Lehrervertreter besorgt. Auch der Staat an sich werde zunehmend abgelehnt. Schüler hätten etwa Probleme damit, wenn für ein Präventionsprogramm Polizisten in die Schulen kommen. Viele Eltern, selbst höchst an Integration interessiert, seien „absolut perplex“ über die Aussagen ihrer Kinder. Offensichtlich passiere in den Kanälen etwa auf Tiktok, denen die Jugendlichen folgten, „ganz viel Gehirnwäsche“. Auch manche Vereine seien ein Problem.

Immer mehr verhüllte Mädchen

SPÖ-Lehrervertreter Thomas Bulant warnt in Zusammenhang mit Klars Schilderungen vor Generalisierungen, es handle sich dabei um keine empirische Studie. Es würden sich aber sicher immer mehr Mädchen an Wiener Pflichtschulen verhüllen „und das ist eine Frage, mit der wir uns auseinandersetzen müssen“, besonders mit Blick auf die gleichen Rechte von Frauen. Was man etwa auch bei ihm in Wien-Favoriten finde, seien außerdem Burschen, die sich durch ihre kulturelle Sozialisierung in paternalistischen Kulturkreisen „aufspielen“ und versuchen würden, etwa über Verhalten und Kleidung etwa ihrer Schwester zu bestimmen. Lehrer müssten das im Unterricht thematisieren und würden das auch tun. Es komme allerdings vor, dass ihnen dann Rassismus vorgeworfen werde. Die „dafür empfänglichen“ Jugendlichen würden eben auf Tiktok und anderen Kanälen hören, dass der Islam in Europa bedroht sei. Klar sei jedenfalls: „Dort, wo es strafrechtlich wird, ist der restliche Staat gefordert - und nicht die Schule allein.“ Hier brauche es die Unterstützung von Polizisten und Sozialarbeitern.

Terrorangriff der Hamas als Katalysator

Die Negativbeispiele hätten vor allem seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober zugenommen, schilderte in der ZiB2 vom Donnerstagabend auch der Mittelschul-Lehrer und Bildungssprecher der Wiener Grünen Felix Stadler. „Das war sicher ein Katalysator auch für viele Konflikte.“ Es gebe Schüler, die ein Problem mit der Regenbogenfahne hätten bzw. sich abwertend über Juden und Jüdinnen oder auch die Rolle der Frauen äußerten. Gleichzeitig habe er an seiner Schule auch ganz viele positive Beispiele, „wunderbarste Kids aus allen möglichen Ländern, die innerhalb von ein paar Wochen, Monaten super Deutsch lernen, gut integriert sind, was leisten wollen“, betonte er. Er plädiert dafür, bei problematischen Äußerungen „kein falsches Verständnis aufzubringen, sondern hier auch wirklich selbstbewusst zu sagen, wir sind hier eine wehrhafte Demokratie und dafür treten wir ein.“ Auch Buchautorin Wiesinger fordert ein selbstbewussteres Auftreten des Staates. Man müssen den betreffenden Schülern signalisieren, „ihr seid wirklich herzlich willkommen, wir brauchen Einwanderung, aber unsere Regeln stehen über euren religiösen Gesetzen oder auch eurer Kultur.“

Hilfeschreie gibt es schon länger

Auch Heinrich Himmer - bis vor Kurzem Wiener Bildungsdirektor, davor roter BMHS-Lehrergewerkschafter und nun SPÖ-Kandidat für die Nationalratswahl - sah in der ZiB2 Handlungsbedarf. Diese Hilfeschreie gebe es schon länger und die Schulen müssten ein System bauen, in dem die Kinder vor Extremisten und Fundamentalisten geschützt seien und ein Recht auf ein selbstbestimmtes, glückliches und gutes Leben bekämen. „Und davon sind wir jetzt noch ein Stück weit entfernt.“ In den Bildungsdiskussionen sei zu oft über Themen wie die Matura diskutiert worden statt über das, was an den Schulen passiere. „Und in Wirklichkeit - und wir sehen das zum Beispiel aufgrund der Familienzusammenführung - haben wir genau solche unterstützenden Integrationsmaßnahmen bei den Kindern zu wenig oder zu spät angesetzt“, zeigte er sich selbstkritisch. Es gehe nicht um die Frage Islam oder nicht. „Aber der Rechtsstaat, die Demokratie muss immer an erster Stelle stehen und rechtsstaatliche Prinzipien sind unabhängig von der Religion einzusetzen und einzuwenden.“

Laut dem obersten Lehrervertreter Österreichs Paul Kimberger (FCG) gibt es ähnliche Phänomene wie die von Klar geschilderten auch in anderen Ballungsräumen Österreichs - „allerdings sicher nicht in der Konzentration wie in Wien“. Die Grenze sei für ihn dann überschritten, wenn die persönlichen Freiheiten und die Art und Weise eingeschränkt würden, „wie wir in Österreich leben wollen“. Integration sei eine Kulturleistung auf Gegenseitigkeit. „Dass wir hier deutliche Normverstärkungen in manchen Bereichen brauchen, ist eine langjährige Forderung der Lehrergewerkschaften.“ Er fordert deshalb erneut deutlich mehr Unterstützung durch außerschulische Institutionen, Bildungs- und Sicherheitsbehörden. „Derzeit fühlen sich viele Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter mit den riesigen Problemen, die es manchmal gibt, oft alleingelassen.“