Keir Starmer ist neuer Premierminister des Vereinigten Königreichs. König Charles III. beauftragte den Sozialdemokraten mit der Regierungsbildung. Der 61-Jährige hatte mit seiner Labour Party bei der Parlamentswahl am Donnerstag einen deutlichen Sieg errungen und die Konservativen abgelöst, die 14 Jahre lang das Land regiert hatten. Starmer versprach am Freitag einen Neustart. Der bisherige konservative Premierminister Rishi Sunak kündigte seinen Rücktritt als Parteichef an.

„Weg zu ruhigeren Gewässern finden“

Starmer kündigte bei seinem ersten Auftritt als Regierungschef eine Rückkehr zu Stabilität und Wachstum und einen umfassenden Kurswechsel an. „Es dürfte jedem klar sein, dass unser Land einen größeren Neustart braucht“, sagte er am Freitag vor seinem Amtssitz in der Downing Street in London. Die Briten müssten wieder entdecken, was sie ausmache. „Unabhängig von den Stürmen der Geschichte war eine der größten Stärken dieser Nation immer unsere Fähigkeit, einen Weg zu ruhigeren Gewässern zu finden“, erklärte er vor dem Hintergrund einer wachsenden Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Lage und dem teils desolaten Zustand des öffentlichen Dienstes.

Starmer betonte, die Wähler hätten sich für einen Wechsel entschieden: „Sie haben uns ein klares Mandat erteilt, und wir werden es nutzen, um Veränderungen herbeizuführen.“ Die Regierung werde jeden Tag kämpfen, bis das Vertrauen wiederhergestellt sei. „Ab sofort haben Sie eine Regierung, die nicht von Dogmen belastet ist, sondern allein von dem Willen geleitet wird, Ihren Interessen zu dienen. Um jene zu widerlegen, die unser Land bereits abgeschrieben haben.“

Zuvor war Starmer von Hunderten Parteifreunden und Unterstützern in der Downing Street unter großem Jubel empfangen worden. Seine Labour Party hatte einen überwältigenden Sieg bei der Parlamentswahl eingefahren. Mit mindestens 412 Sitzen hat sie mehr als dreimal so viele Mandate wie die Konservativen, die nun auf den Oppositionsbänken Platz nehmen müssen.

Auf den neuen Regierungschef kommen etliche Herausforderungen im Land zu – etwa die Überlastung des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS, Probleme in der Wohnungspolitik oder die Frage, wie das Land mit Einwanderung umgehen will. Großes Thema im Vereinigten Königreich sind auch die gestiegenen Lebenshaltungskosten.

Politisch verspricht Starmer wirtschaftliche Stabilität, ein besseres Gesundheitssystem und stärkeren Grenzschutz. Er will ein nationales Unternehmen für die Energieversorgung gründen und mehr Lehrer einstellen. Kippen will er den Plan der bisherigen Regierung, irreguläre Migranten ungeachtet ihrer Herkunft nach Ruanda abzuschieben. Eine Rückkehr seines Landes in die EU hat er ausgeschlossen.

Den abgewählten Tories droht nun ein Richtungsstreit. Sie kommen auf ein historisch schlechtes Ergebnis. Für Sunak ist es eine schwere Niederlage. Der 44-Jährige kündigte am Freitag an, er werde als Parteichef zurücktreten, sobald die formalen Regelungen für die Nachfolge geklärt seien.

Nur noch 121 von 650 Mandaten

Die Partei verlor ihre Mehrheit und kommt nach Auszählung fast aller Stimmen nur noch auf 121 von 650 Mandaten. Bei der vergangenen Wahl hatte sie 365 Sitze im Unterhaus errungen. Labour gewann die Wahl mit großem Vorsprung und kommt nun auf mindestens 412 Sitze.

Sunak entschuldigte sich bei den Wählern. Er habe alles gegeben, aber das Urteil sei deutlich. „Ich habe Ihre Wut und Ihre Enttäuschung vernommen, und ich übernehme die Verantwortung für diese Niederlage“, sagte er. Seinem Nachfolger Starmer wünschte er Erfolg.

Die Konservativen, die bei den letzten Wahlen, im Dezember 2019, unter Boris Johnson noch auf 365 Sitze gekommen waren, werden nun offenbar mit kaum mehr als einem Drittel dieser Mandate auskommen müssen. Der Partei wurde ein bitterer interner Machtkampf und von manchen Beobachtern sogar die baldige Spaltung vorausgesagt.

Von den kleineren Parteien nahmen auch die Liberaldemokraten, eine gemäßigt-progressive Partei, den Tories reihenweise Stimmen und Wahlkreise ab. Sie erhöhten laut Exit Polls ihre Sitzzahl von elf auf 61.

13 Sitze für Rechtspopulisten, zwei für Grüne

Der rechtspopulistischen Partei Reform UK – der früheren Brexit Party – sagten die Hochrechnungen 13 Sitze voraus. Das wäre erheblich mehr, als man erwartet hatte. Die Partei wird vom Alt-Brexiteer Nigel Farage geführt, der sich Donald Trump eng verbunden fühlt.

Nur zwei Sitze soll die Partei der britischen Grünen verbucht haben. Die Schottische Nationalpartei (SNP), die immer nur in Schottland antritt, verlor ihrerseits erheblich. Ihr gaben die Hochrechnungen nur noch 10 Mandate statt 48. Die SNP hat in den letzten Jahren viel an Wählersympathien verloren, insbesondere nachdem die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon und ihr Mann verhaftet wurden im Zusammenhang mit möglichem Finanzbetrug.