Für FPÖ-Chef Herbert Kickl ist es ein „historischer Tag“, für Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán der „Tag, an dem begonnen wurde, die europäische Politik zu ändern“. Allerdings schränkte Orbán bei seinem Wien-Besuch auf Einladung der Freiheitlichen ein: „Es werden die Geschichtsschreiber entscheiden, wie wichtig dieser Tag ist“. Die FPÖ, Orbáns Fidesz sowie ANO, die Partei des tschechischen Ex-Premiers Andrej Babiš, initiieren eine neue, rechtsgerichtete EU-Fraktion. Noch aber fehlen einige Länder zur Gründung. Die AfD dürfte sich nicht anschließen.

Die drei Parteien, die bei den vergangenen EU-Wahlen in ihren jeweiligen Ländern den ersten Platz erreichten, haben zwar ausreichend Mandate für eine neue Fraktion, allerdings sind Abgeordnete aus sieben Mitgliedstaaten eine weitere Voraussetzung. Vier Länder benötigt der „Patriots for Europe“ betitelte Zusammenschluss noch. Kandidaten sind Italiens Lega, die PVV in den Niederlanden, Chega aus Portugal und EKRE aus Estland. Spekuliert wird in Brüssel aber auch über die slowakische SMER, die von den Sozialdemokraten ausgeschlossen worden war.

Vorerst keine Nachfragen möglich

Kickl sieht großes Potenzial in der Allianz. „Sie soll eine Trägerrakete darstellen“, sagte der FPÖ-Chef. Er kündigte an, dass sich mehr Parteien der patriotischen Allianz anschließen werden, „als das manche in diesem Moment vermuten“. Die FPÖ habe sich als Vermittler und Verbinder positioniert, betonte Kickl. Wer bereits Interesse bekundet hat, wurde bei der Pressekonferenz in Wien nicht ausgeführt. Nachfragen waren keine zugelassen, erst dann bei einer Präsentation in Brüssel oder Straßburg.

Die EU-Wahl hatte nicht alle rechtsgerichteten Parteien gestärkt, wodurch es im ohnehin zersplitterten Lager der euroskeptischen Parteien zu Verschiebungen gekommen ist und etwa der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen nachgesagt wird, ein Bündnis mit der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni eingehen zu wollen. Ein wesentlicher Konfliktpunkt ist das Thema Ukraine-Krieg. FPÖ, Fidesz und die tschechische ANO sprechen sich für einen möglichst schnellen Frieden aus, auch wenn dies ein massiver Souveränitätsverlust der Ukraine bedeuten sollte.

Manifest für EU der starken Nationen

Orbán glaubt, dass nicht nur eine Fraktionsgründung gelingen wird, sondern sie „die größte aller rechtsgericheteten Kräfte“ sein wird, „dann ist der Himmel das Limit“, so Orbán, der am Montag den Ratsvorsitz für ein halbes Jahr übernehmen wird. Brüssel, so der ungarische Regierungschef, wolle am Status quo festhalten und leiste Widerstand. Bei der Wahl hätten aber jene Parteien gewonnen, die eine Änderung versprochen haben. „Die Europäer wollen drei Dinge: Friede, Ordnung und Entwicklung. Was sie jetzt bekommen, ist Krieg, Migration und Stagnation.“

Das Manifest, das die drei Parteien in Wien unterschrieben haben, geht zwar nicht sehr ins Detail, definiert aber die EU nur mehr als eine Art Kooperationsplattform unabhängiger Staaten. Ein Bekenntnis von zu den vier Grundfreiheiten der EU, ist aus dem Manifest nicht herauszulesen, Babiš sagte: „Jedes Land muss das Recht haben, zu entscheiden, wer dort leben und arbeiten kann.“ Ob dies auch EU-Bürger inkludiert, die sich innerhalb der Union frei bewegen können, blieb unklar.

„Wir wollen ein Europa mit Stolz, Tradition und Wertebewusstsein und kein Spielball anderer Interessen sein“, sagte Kickl. Konkret wurden die drei Politiker in erster Linie darin, den Green Deal zu streichen. „Die grüne Umstellung hat die EU vermasselt“, erklärte Orbán. Es sei keine grüne, sondern „giftgrüne Politik“, die den Wohlstand gefährde. Babiš sprach von einem Aussetzen des Co2-Zertifikatshandels und der „Förderung von Rohstoffen“.

AfD zeigt sich ablehnend

Die AfD dürfte nicht mit von der Partie sein. Ein Sprecher von AfD-Chefin Alice Weidel sagte am Sonntag dem Fernsehsender ntv, dass die AfD „zu diesem Zeitpunkt noch nicht in eine gemeinsame Fraktion mit Fidesz gehen kann“. Der neue Zusammenschluss eröffne der Partei aber „neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Parteien, da die Parteienlandschaft von EKR und ID insgesamt in Bewegung gerät“, so der Sprecher nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP. Lega-Chef Matteo Salvini begrüßte indessen die neue Allianz. Seine Partei arbeite schon „seit Jahren“ daran, ein möglichst starkes, patriotisches und kohärentes Bündnis zu schmieden.

In Österreich reagierten ÖVP, Grüne, SPÖ und Neos. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagte in der ORF-„Pressestunde“: „Die Rechtsrechten formieren sich immer wieder anders. Das ist der Parteitaktik geschuldet.“ Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sieht in der Allianz den Beweis, dass die FPÖ Österreich zu „Orbanistan“ machen wolle. Gemeint sei ein „Weg aus einem gemeinsamen Europa, direkt in die Arme Putins und damit in die Zerstörung von Rechtsstaat und Demokratie“, so Kogler.

Auch SPÖ-Chef Andreas Babler betonte, das vorgestellte Bündnis zeige, was Österreich drohe, sollte die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen. „Kickl eifert Orbán nach und strebt die Einführung einer illiberalen Demokratie á la Orbán an“, warnte Babler in einer Aussendung. Neos-Klubobfrau und Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger sprach von einer „Koalition der Zukunft- und Europa-Zerstörer“. Dass ausgerechnet die FPÖ mit jemandem koalieren wolle, der wie Orbán nicht zuletzt auch österreichische Unternehmen in Ungarn drangsaliere, sei „ein neuer Höhepunkt der Falschheit“.