Die Europäische Union ist noch weit davon entfernt, ihre Ziele für die Verringerung der Emissionen im Verkehrssektor und für den Einsatz alternativer Kraftstoffe bzw. Elektroautos zu erreichen. Dies betonten die zuständigen Prüfer des Europäischen Rechnungshofes bei einer Bilanz-Pressekonferenz am Montag. Die Verringerung von Pkw-Emissionen ist ein zentrales Element des Europäischen Green Deal für den Klimaschutz, der die Netto-Emissionen der EU bis 2050 auf Null senken soll.
Immer noch so viel CO2 wie vor zwölf Jahren
„Der Grüne Deal kann nur erfolgreich sein, wenn die Pkw-Emissionen reduziert werden. Wir müssen jedoch mit Bedauern feststellen, dass die meisten herkömmlichen Autos trotz ehrgeiziger Ziele und strenger Anforderungen immer noch so viel CO2 ausstoßen wie vor zwölf Jahren“, erklärte Nikolaos Milionis, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs (ERH), bei der Pressekonferenz. Zwar seien die Motoren effizienter geworden, doch dies werde durch durchschnittlich schwerere Autos und leistungsstärkere Motoren wieder zunichte gemacht.
Alternative Kraftstoffe wie Biokraftstoffe, E-Fuels oder Wasserstoff würden häufig als potenzielle Nachfolger von Benzin und Diesel genannt, so Milionis. Die ERH-Prüfer stellten jedoch in ihrem entsprechenden Bericht fest, dass ein „klarer und stabiler Fahrplan“ der EU zur Bewältigung der langfristigen Probleme der Branche - wie verfügbare Brennstoffmengen, Kosten und Umweltfreundlichkeit - fehle. Biokraftstoffe seien heute noch teurer als kohlenstoffbasierte Kraftstoffe, und derzeit sei es billiger, Emissionszertifikate zu erwerben, als auf Biokraftstoffe umzusteigen. Die Prüfer kritisieren hier auch die Besteuerungspolitik der EU-Länder.
Auch die Verbreitung von Elektroautos kommt laut den ERH-Experten in der EU nur schleppend voran. Als Gründe werden eine schwache europäische Batterieindustrie und Probleme beim Aufbau einer EU-weiten Ladeinfrastruktur genannt. Weniger als zehn Prozent aller Batterien würden in Europa hergestellt, kritisiert ERH-Mitglied Annemie Turtelboom. Zum Vergleich: China produziere drei Viertel aller weltweit erzeugten Batterien. Ein besonderes Hindernis für die Batterieindustrie der EU sei ihre starke Abhängigkeit von Rohstoffeinfuhren aus Drittländern. Der ERH kritisiert, dass hier geeignete Handelsabkommen fehlten.
Die Kosten für in der EU hergestellte Batterien seien trotz umfangreicher öffentlicher Unterstützung nach wie vor viel höher als geplant. Turtelboom warnt davor, dass ohne klare Verbesserungen bei Kapazitäten und Wettbewerbsfähigkeit der EU die Gefahr bestehe, dass die „Elektroauto-Revolution“ in Europa auf Importe angewiesen sei und sich letztlich nachteilig auf die europäische Automobilindustrie mit ihren mehr als drei Millionen Arbeitsplätzen auswirken könnte. Europäische Elektrofahrzeuge würden zudem für den Großteil der Bevölkerung unerschwinglich.
Auch Ladepunkte massives Problem
Weiters liegt die Anzahl der Ladepunkte in der gesamten EU weit unter dem Zielwert von einer Million Einheiten bis 2025, und ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. 70 Prozent aller Ladepunkte befinden sich in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. „Die EU hat nicht viele Trümpfe in der Hand, wenn es um die Elektrifizierung ihrer Fahrzeugflotte geht: Der Zugang zu Rohstoffen, die von der Industrie und den Bürgern zu tragenden Kosten sowie fehlende Infrastruktur könnten dazu führen, dass sie ihren Einsatz verspielt“, warnt ERH-Expertin Turtelboom.
Die am Montag gezogene Bilanz der Prüfer basiert auf in den letzten Jahren veröffentlichten Berichten des Rechnungshofes zu den Themen Pkw-Emissionsverringerung, EU-Förderungen für Biokraftstoffe, in der EU verfügbare Ladeinfrastruktur für Elektroautos sowie EU-Industriepolitik für Batterien.