Schon wieder ein Kennedy. Robert F. Kennedy, Jr. will ins Weiße Haus einziehen. Da ihm die Demokraten aber keine faire Vorwahl gegen Joe Biden ermöglichten, wandte sich Kennedy von der Partei seines Vaters Robert und Onkels John F. ab und tritt als unabhängiger Kandidat an. Obwohl er die Wahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gewinnen wird, ist sein Einfluss nicht zu unterschätzen.
Unabhängige Kandidaten ohne Chance
Kennedy ist auf den ersten Blick das Gegenteil seines charismatischen Onkels, um den sich nach dessen Ermordung im Jahr 1963 ein Mythos gebildet hat. Er stottert, wirkt zaghaft, ist überzeugter Impfgegner und weitaus linker angesiedelt als es der Mehrheit der US-Bevölkerung lieb ist. Und doch jubeln ihm bei seinen Auftritten Tausende zu. Dabei haben es unabhängige Kandidaten naturgemäß schwer.
Die USA sind ein gefestigtes Zweiparteiensystem. Das liegt vor allem daran, dass sich „Demokraten und Republikaner als große Zelte für die Gesellschaft präsentieren“, sagt Martin Thunert von der Universität Heidelberg. Während in Europa Koalitionen zwischen unterschiedlichen Parteien geschmiedet werden, passiert das in der Regel in den USA innerhalb der Demokraten und Republikaner. Je nach Stimmungslage einigen sich die Parteien für den einen oder den anderen Kandidaten.
Für die Wählerinnen und Wähler ist das meist kein Problem. Unabhängige hätten wegen der hohen Wählerbindung keine Chance. Hinzu kommt das Wahlsystem. „Um tatsächlich Präsident zu werden, braucht es in mehreren Bundesstaaten Mehrheiten, viele Wähler glauben jedoch, dass eine Stimme für einen dritten Kandidaten ohnehin verschenkt, ist“, sagt Thunert.
So hat sich der parteiunabhängige Senator Bernie Sanders trotz inhaltlicher Differenzen 2016 und 2020 für eine Kandidatur bei den Demokraten beworben. „Auch wenn Sanders die Nominierung nicht gewonnen hat, hat er es geschafft, die Demokraten inhaltlich nach links zu rücken – das sieht man beispielsweise an der Umweltpolitik von Biden“, erklärt Thunert.
Biden schadet seine Israel-Politik
Auch Kennedy wird nach seinen Zerwürfnissen mit den Demokraten keine Ausnahme werden. Selbst Familienmitglieder distanzieren sich von ihm. Eine Umfrage der Universität Quinnipiac rechnet ihm dennoch 14 Prozent zu – viel zu wenig für einen bundesstaatlichen Erfolg, aber viel zu viel für Biden. Linke, meist junge Demokraten brechen mit der Wählerbindung, lehnen die Israel-Politik des amtierenden Präsidenten entschieden ab.
Kennedy, der sich in der Tradition seiner Familie RFK nennt, weiß das zu nutzen und wirft Biden Kriegstreiberei vor. „Sie wollten Krieg als Teil ihres strategischen Masterplans, jedes Land zu zerstören, das sich dem amerikanischen Imperialismus entgegenstellt, so wie Russland“, sagt er. Zugleich verspricht sozialpolitische Reformen, wie eine Erhöhung des Mindestlohns.
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Es wäre nicht das erste Mal, dass ein unabhängiger Kandidat die Präsidentschaft entscheidet, nur nicht für sich. So erreichte Ralph Nader von der Green Party bei den Wahlen im Jahr 2000 in Florida knapp 100.000 Stimmen. Die 25 Wahlmänner des Sonnenstaates sicherte sich damals George W. Bush, der sich mit 537 Stimmen vor Al Gore durchsetzte und somit auch die Präsidentschaft gewann. Nachwahlbefragungen ergaben: Wäre Nader nicht angetreten, hätte eine Mehrheit seiner Wähler für Gore gestimmt. „Die Welt wäre mit Sicherheit eine andere gewesen, der Irak-Krieg wäre nicht ausgebrochen und die USA wären in Sachen Klimaschutz nicht um mindestens zehn Jahre zurückgeworfen worden“, sagt Thunert. Durch Naders Antreten gewann paradoxerweise ausgerechnet der ihm ideologisch am weitesten entfernte Kandidat die Wahlen.
2024 könnte sich die Geschichte wiederholen. Laut Erhebungen sind knapp 70 Prozent mit dem Personalangebot der etablierten Parteien unzufrieden. Gelingt es Kennedy Biden in den entscheidenden Swings States Stimmen abspenstig zu machen, hat Donald Trump gute Chancen auf eine neuerliche Präsidentschaft.