Ein Prozess in Wien um einen brutalen sexuellen Übergriff auf eine 26-jährige Frau durch ihren Lebensgefährten ist am Donnerstag vertagt worden. Der Hauptbelastungszeuge wollte nicht aussagen und soll noch einmal befragt werden. Der Beschuldigte soll beim Heimkommen auf seine Freundin losgegangen, sie verprügelt, vergewaltigt und dann schwer verletzt und nackt auf die Straße gelegt haben.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 25-jährige Angeklagte den Tod der Frau billigend in Kauf genommen hat, als er die zu diesem Zeitpunkt bereits Bewusstlose ins Freie trug und hilflos ihrem weiteren Schicksal überließ. Deshalb war neben Vergewaltigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt - der Mann wehrte sich heftig gegen seine Festnahme - auch Mordversuch durch Unterlassung angeklagt. Der Wiener bekannte sich zum Mordversuch und zu der Vergewaltigung nicht schuldig. Er konnte sich an die Attacke aufgrund von Alkohol- und Drogenkonsum nicht mehr erinnern. Zum Widerstand gegen die Beamten, die ihn festnehmen wollten, zeigte er sich geständig.
Das Paar hatte sich ein halbes Jahr vor der Tat bei einer Technoparty kennengelernt. "Ich war wahnsinnig in sie verliebt", erzählte der 25-Jährige der Schwurgerichtsvorsitzenden Olivia-Nina Frigo. Einen Monat später zog die 26-Jährige bereits in seine Wohngemeinschaft im Wiener Bezirk Wieden. "Wir haben schon gestritten, aber es war alles normal, es gab keine größeren Streitigkeiten", sagte der Beschuldigte. Die beiden hätten oft mit Drogen herumexperimentiert. "Da kam es schon mal vor, dass wir uns nachher nicht erinnern konnten."
Am Tag des Übergriffs, am 11. Oktober 2019, konsumierte der 25-Jährige nach der Arbeit laut eigenen Angaben einige Dosen Bier. Mit einer Pipette tropfte er aus einem Fläschchen regelmäßig Liquid Ecstasy in den Alkohol, als er sich zu einem Besuch eines Freundes in der Seestadt aufmachte. Am späten Abend kehrte der junge Mann in die WG zurück. Seine Freundin saß mit einem Mitbewohner am Tisch, die beiden plauderten und tranken Bier. Laut Staatsanwaltschaft soll der 25-Jährige sofort auf seine Freundin losgegangen sein. Der Mitbewohner bemerkte die angespannte Stimmung und zog sich in sein Zimmer zurück.
Mit "unglaublicher Brutalität" sei der Mann auf die 26-Jährige losgegangen, habe ihr gleich mit der Faust ins Gesicht geschlagen, sie gewürgt, immer wieder gepackt, getreten und schlussendlich vergewaltigt, führte der Ankläger aus. Sein Mitbewohner hörte Schläge, das Wimmern und Weinen der Frau, kam ihr aber nicht zu Hilfe. Immer wieder soll die 26-Jährige gerufen haben: "Bitte hör auf!"
Danach packte der Bauspengler laut Anklage das nackte, schwer verletzte Opfer an den Füßen und zerrte die Frau durch das Stiegenhaus und legte das Opfer einfach zwischen geparkten Autos auf der Straße ab. Wäre der Frau nicht ein Spaziergänger zu Hilfe gekommen, der gegen Mitternacht mit seinem Hund unterwegs war, wäre sie möglicherweise an im Mund- und Rachenraum angesammelten Blut erstickt. Der Zeuge sagte aus, die Frau sei "wie ein Müllsack entsorgt" worden. "Er hat sie entsorgt, er hat sie zum Sterben hingelegt und ist einfach gegangen. Er hat sie ihrem Schicksal, dem Tod, überlassen", sagte der Staatsanwalt.
Die junge Frau erlitt laut medizinischem Sachverständigen Wolfgang Denk u.a. einen Nasenbeinbruch, eine Verletzung der Nasenscheidewand, eine Schädelprellung, Blutungen im Kieferbereich, Abschürfungen, Kratzer, Bisse, einen Einriss in der Scheide und Blutungen im Enddarm. Dass er seine Freundin so schwer verletzt haben soll, konnte sich der Angeklagte nicht erklären. "Mir tut auch schrecklich leid, was da passiert ist. Aber ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich kann mir das nicht erklären", sagte der 25-Jährige.
Er hätte einen "Filmriss" gehabt. Er konnte sich an die Heimfahrt aus der Seestadt erinnern und dann erst wieder, als die Polizeibeamten auf ihm lagen und er aus der Nase blutete. Laut Gutachten sei er allerdings nur mittelgradig berauscht gewesen, führte der Staatsanwalt aus. Der toxikologische Sachverständige Günter Gmeiner gab an, dass Liquid Ecstasy in geringen Mengen sexuell stimulierend, in höheren Mengen bewusstseinsstörend sein kann.
An die Attacke erinnern konnte sich auch die 26-Jährige nicht mehr. Sie entschlug sich am Donnerstag der Aussage. Vor der Polizei sagte die Frau, die nach wie vor Liebesbriefe ins Gefängnis schickt: "Er hat mich ganz sicher nicht vergewaltigt. Ich glaub auch nicht, dass er mich umbringen wollte", wie der Verteidiger des Beschuldigten ausführte.
Ebenfalls nicht aussagen wollte bei der Hauptverhandlung der Mitbewohner in der Wohngemeinschaft. Er konnte sich allerdings nicht aufgrund eines Naheverhältnisses auf das Aussageverweigerungsrecht berufen. Nicht einmal die Androhung einer Beugestrafe bewegte den 22-Jährigen dazu, seine Meinung zu ändern. Er wurde noch im Saal abgeführt und kommt bis 11. August in Beugehaft. Der Mann soll dann am 25. August noch einmal befragt werden, wenn der Prozess fortgesetzt wird.
Zusätzlich zu einer Verurteilung hat die Staatsanwaltschaft die Unterbringung des Mannes in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Ein psychiatrisches Gutachten von Peter Hofmann bescheinigt ihm eine abnorme Persönlichkeit, die eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Ohne therapeutische Begleitmaßnahmen, die im Maßnahmenvollzug gewährleistet sind, wäre laut Gutachten mit neuerlichen strafbaren Handlungen gerechnet werden. "Ja, er weiß, was Recht oder Unrecht ist, er weiß, wie man richtig handelt, er tut es einfach nicht", sagte der Staatsanwalt. Aufgrund der Gefährlichkeit, die vom Angeklagten ausgehe, bestehe die Gefahr, dass er wieder solche schweren Straftaten verübe. Es ist bereits das achte Mal, dass der 25-Jährige vor Gericht sitzt.