Die Hamas soll büßen: Das ist die Botschaft Israels auf den Überraschungsangriff der radikalislamischen Terrororganisation, die dort am Wochenende ein Massaker angerichtet hat. Die Hamas hat nach eigenen Angaben am Donnerstag erneut Raketen auf Tel Aviv abgefeuert. Die Attacken sollen eine Reaktion auf israelische Luftangriffe auf den Gazastreifen sein. Die Lage ist extrem schwierig, denn die volle Härte Israels bekommt in dem dicht besiedelten Gebiet nicht nur die Hamas, sondern auch die Zivilbevölkerung zu spüren.
Amjad Shawa, Direktor des Netzwerks palästinensischer Nichtregierungsorganisationen, hat die Luftangriffe miterlebt: "Unser Haus hat gewackelt wie bei einem Erdbeben." Der 53-Jährige lebt mit seiner Frau, seinen drei Töchtern und seiner Mutter im Rimal-Viertel in Gaza-Stadt. Weil alle Versorgungswege in den Gazastreifen gekappt seien, gäbe es momentan keinen Strom, kein Wasser und keinen Treibstoff. Das Internet breche immer wieder ab: "Ich habe eine Batterie, damit lade ich mein Handy auf, um mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben. Ich weiß nicht, wie lange das noch funktionieren wird."
Shawa lebt sein ganzes Leben lang in Gaza, aber "so etwas habe ich noch nie erlebt". Viele Freunde und Familienmitglieder sind bei den Attacken ums Leben gekommen, andere haben ihre Häuser verloren und verstecken sich in Krankenhäusern, wenn es zu Angriffen kommt: "Wir haben keine Sirenen, die uns im Vorfeld vor den Angriffen warnen. Wenn wir etwas hören, laufen wir, so schnell es geht, weg."
Ärztin aus Kärnten berichtet über Einsatz in Gaza
Über ähnliche Erfahrungen berichtet Diyani Dewasurendra: "Es finden seit drei Tagen ohne Vorwarnung durchgehend Bombardierungen statt. Man kriegt es erst mit, wenn es passiert, und man kann sich nicht vorher in Sicherheit bringen." Die Kärntner Ärztin ist aktuell für die Organisation Ärzte ohne Grenzen in Gaza im Einsatz. Die Krankenhäuser im Gazastreifen werden laut Dewasurendra nur noch mit benzin- bzw. dieselbetriebenen Notstromaggregaten betrieben.
Krankenwagen unter Beschuss
Das Al-Shifa-Krankenhaus, das größte Spital in Gaza, sei bereits zur Gänze belegt, die Sprit-Ressourcen würden nur maximal für drei Tage reichen. "Die Eingriffe werden mittlerweile so geplant, damit man so lange wie möglich damit auskommt." Zudem würden Geflüchtete den Betrieb im Spital erschweren, sagt die Medizinerin. "Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten, flüchten in die Krankenhäuser, weil sie sonst nirgends hinkönnen." Auch einige ihrer Kolleginnen und Kollegen aus anderen Gegenden Gazas haben im Krankenhaus Zuflucht gesucht. Gefährlich bleibt die Lage auch für Krankentransporte angesichts der Raketenangriffe durch die Stadt, berichtet Dewasurendra.
Es werde immer schwieriger, Medikamente und humanitäre Hilfe ins Land zu bekommen: "Es mangelt an allem. Das Ausbleiben sämtlicher Lieferungen würde bedeuten, dass wir die Menschen in Gaza medizinisch nicht mehr versorgen können. Wenn das eintrifft, stehen wir vor einer massiven Katastrophe."
Mindestens 1300 Tote
Derzeit geht man von mindestens 1300 Toten und über 5340 Verletzten im Gazastreifen aus, heißt es von Ärzte ohne Grenzen. Wie der Einsatz von Dewasurendra in Gaza weiter verlaufen wird, ist unklar: "Im Moment sind wir in Sicherheit, das kann sich aufgrund der instabilen Lage aber jederzeit ändern." Amjad Shawa will seine Heimat jedenfalls unter keinen Umständen verlassen: "Egal was passiert, ich bleibe da. Das ist mein Zuhause. Die Angriffe auf die Zivilbevölkerung müssen endlich aufhören. Wir alle wollen doch dasselbe, ein Leben in Frieden führen."
Daniela Breščaković