Ein strahlend schöner Spätsommertag. Doch die Stimmung bei den Bewohnern von Sebern, einem Weiler mit sieben Bauernhöfen und sechs Einfamilienhäusern, war am Montag tief getrübt. Die grausigen Ereignisse, die sich hier am Vormittag zugetragen hatten, ließen die Menschen fassungslos zurück. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich kann noch gar nicht recht begreifen, dass das da vorne passiert ist", sagte Andrea Kriechbaumer-Wagner. "Da vorne" – damit meinte sie jenen Feldweg, an dem am Vormittag eine Joggerin von einem American Staffordshire angefallen und regelrecht zerfleischt wurde.

Was sich hier am Vormittag genau zugetragen hat, ließ sich vorerst nur bruchstückhaft nachzeichnen. Es war gegen 9.15 Uhr, als die 60-jährige Joggerin, die auf einem Feldweg in dem Weiler unterwegs war, plötzlich von dem etwa vier Jahre alten Staffordshire Terrier Elmo angefallen wurde. Er verbiss sich regelrecht in die Frau, ließ nicht locker. Seine Besitzerin versuchte noch dazwischenzugehen und den Hund von der Frau wegzubringen. Doch vergeblich. Auch sie wurde dabei schwer verletzt, erlitt zahlreiche Bisse. Als Elmo endlich abließ, gelang es seiner Besitzerin trotz ihrer Verletzungen noch, ihn nach Hause zu bringen. Dann eilte die 37-Jährige zu dem Opfer zurück, um Hilfe zu leisten. Doch sie kam zu spät – die Pensionistin war bereits ihren schweren Verletzungen erlegen.

Schlimmer Anblick für Helfer

Für die alarmierten Rettungshelfer bot sich an der Unglücksstelle ein dramatisches Bild, wie der Perger Bezirksrettungskommandant Christian Geirhofer sagte: "Es war ein äußerst dramatischer Einsatz für das Notarzt- und das Rettungsteam." Nachsatz: "Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals einen vergleichbaren Einsatz erlebt haben."

Der Notarzt konnte nur noch den Tod der Joggerin feststellen. Die Hundehalterin wurde mit mehreren Bissverletzungen in den Neuromed Campus nach Linz gebracht. Nach der ambulanten Behandlung wurde die Frau auf die psychiatrische Abteilung verlegt. Sie habe neben den äußerlichen Verletzungen auch einen Schock erlitten, hieß es aus dem Spital. Daher habe die Frau laut Polizei am Montag noch nicht befragt werden können.

"Hunde haben sich oft aggressiv verhalten"

Die beiden Hundebesitzerinnen seien vor vier Jahren aus dem Bezirk Eferding hergezogen, erzählt Nachbarin Kriechbaumer-Wagner. Anschluss an die Dorfgemeinschaft habe das verheiratete Paar nicht gewollt. Insgesamt fünf American Staffordshire lebten in dem kleinen Haus. Umgeben von einem Zaun. Den habe es auch gebraucht, sagt ein Nachbar: "Die Hunde haben sich oft aggressiv verhalten, sind zum Zaun gelaufen, haben gebellt und die Zähne gefletscht."

Manchmal sei es auch vorgekommen, dass sich einer der Hunde vor dem Haus aufgehalten habe. "Vor ein paar Tagen bin ich mit dem Pferd den Weg entlang geritten, als ein Hund wild bellend vor mir stand", sagte Kriechbaumer-Wagner. Sie habe sich mit ihrer Reitgerte Respekt verschaffen können und den Hund an einer Leine zurück zu seinen Besitzerinnen gebracht. "Aus heutiger Sicht war das eigentlich unvernünftig, aber im ersten Moment wollte ich einfach, dass er mein Pferd in Ruhe lässt." Die Identität des Opfers war vorerst unklar. Erst am Nachmittag bestätigte sich der furchtbare Verdacht der Bewohner, dass es sich um eine Frau aus ihrem Ort handelt.

"Furchtbarer Tag für Naarn"

Sichtlich erschüttert war auch der Naarner Bürgermeister Martin Gaisberger: "Es ist ein ganz furchtbarer Tag für Naarn. Dass ein Hund einen erwachsenen Menschen derart zurichten kann, ist mir unbegreiflich." Der Unglücksort sei eine beliebte Spazier- und Laufstrecke – sowohl bei den Bewohnern von Naarn als auch bei Freizeitsportlern aus der näheren Umgebung. Die Behörde entschied noch am Montag, dass der Hund eingeschläfert werden muss. Gegen die vier im Haus verbleibenden Staffordshires habe man hingegen keine rechtliche Handhabe.

Hunde werden grundsätzlich nicht als beißwütige Bestien geboren und auch nicht von heute auf morgen aus einer Laune heraus aggressiv, sagte diplomierte Hundepsychologin Ulrike Griessl, Aggressivität werde durch "andauernde oder wiederholende negative Gefühle, meist Wut oder Angst, hervorgerufen", sagt sie. Dem liegen fast immer eine falsche Sozialisation des Tieres und eine Erziehung zugrunde, die von Gewalt und Aggression geprägt ist, sagt Griessl.

Hund reagiert auf Bedrohung

Normalerweise werde ein Verhalten, wie das des Staffordshires, durch einen Reiz ausgelöst, sagt Robert Markschläger, Vorstandsmitglied des Österreichischen Kynologenverbandes. "Meist reagiert ein Hund auf eine Bedrohung mit Aggressivität." Wäre der Hund richtig gehalten und erzogen worden, hätte es nie zu so einer Tragödie kommen können, meint er. "Es ist ganz wichtig, dass man einen Hund bereits vom Welpenalter an entsprechend an die Umwelt gewöhnt, also zum Beispiel mit ihm rausgeht und positive Kontakte mit Menschen sammelt."

Ruf nach einer Rasseliste

Nach diesem Vorfall sei zu erwarten, dass wieder der Ruf nach einer Rasseliste laut werde, vermutet Griessl. Auf solchen Listen werden sogenannte Kampfhunde wie der Staffordshire Terrier aufgeführt, für deren Haltung man dann eine eigene behördliche Genehmigung braucht. In Wien, Niederösterreich und Vorarlberg gibt es derartige Rasselisten. "Aus meiner Sicht wäre es sinnvoller, wenn alle Personen, die sich einen Hund nehmen, zusätzlich zum Sachkundekurs in den ersten Monaten verpflichtend eine zertifizierte Hundeschule besuchen müssen", sagt sie. Auch Markschläger ist gegen Rasselisten. Er ist überzeugt: "Es kommt nie auf die Rasse an, sondern auf den Halter."