Seit April wird auf dem Rettenbachferner gebaggert, gegraben und vermutlich auch gesprengt. Für die Umweltorganisation Greenpeace ein Zustand, der in dieser Form nicht hinnehmbar ist. Die Arbeiten würden zur "Zerstörung" des Gletschers beitragen, so die scharfe Kritik. 

Besonders der Umstand, dass die Adaptionen laut Greenpeace vor allem deshalb vorgenommen werden, damit Ende Oktober wieder eine perfekte Piste für den Auftakt des Skiweltcups zur Verfügung steht, lässt die Wogen hochgehen. "Hier werden Skisport und Naturschutz gegeneinander ausgespielt. Unsere Gletscher dürfen nicht Prestigeprojekten zum Opfer fallen", ließ Greenpeace-Sprecherin Ursula Bittner wissen.

"Um die Fahrbahn für den Skiweltcup zu begradigen und ihre Breite beizubehalten, wurde offensichtlich entschieden, den betroffenen Gletscherteil komplett zu entfernen und mit Schutt sowie Kunstschnee wieder aufzufüllen."

Die Tiroler Landespolitik sei nun gefordert, um dieser "Zerstörung" Einhalt zu gebieten. ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle müsse die "letzten Gletscher vor der Zerstörung bewahren". Man wolle jedenfalls mit einer Anfrage an die Gemeinde Sölden sowie das Land Tirol "Klarheit schaffen".

Schilder warnen vor Sprengarbeiten am Gletscher
Schilder warnen vor Sprengarbeiten am Gletscher © Greenpeace/Mitja Kobal

Landesumweltanwalt Johannes Kostenzer erklärte gegenüber dem ORF Tirol, dass er gegen die Maßnahmen keine Einsprüche erhoben habe. Gleichzeitig meinte er aber unter anderem: "Jede Baustelle im Hochgebirge tut im Herzen weh. Es ist eine politische Entscheidung, wohin sich Tirol mit diesen Gletscherskigebieten hinorientieren wird."

Behauptung von Greenpeace sei "völlige Blödheit"

Die Reaktion der Söldener Bergbahnen auf die Vorwürfe ließ nicht lange auf sich warten. Für Geschäftsführer Jakob Falkner sei die Kritik "nur noch böswillig".

Es handle sich um normale Sanierungsarbeiten der bestehenden Piste aufgrund des Rückganges des Rettenbachgletschers, die im April begonnen hätten und bis September andauern. Die Sanierungsarbeiten würden ausschließlich die bestehende Pistenfläche betreffen. "Dafür gibt es selbstverständlich eine vollumfängliche Genehmigung durch die Behörde", betonte Falkner, der gleichzeitig erklärte, dass es sich keinesfalls nur um eine Weltcuppiste, sondern auch um eine für die gewöhnlichen Wintersportler handle. Keinesfalls würden bestehende Pisten erweitert. So etwas zu behaupten, sei eine "völlige Blödheit".

Die zuständige Bezirkshauptmannschaft Imst bestätigte gegenüber der APA, dass mit Bescheid vom 12. August 2021 der Bergbahn die naturschutzrechtliche Bewilligung für die "Durchführung von diversen Sanierungsmaßnahmen (beispielsweise Felsabträge) in den Abschmelzbereichen innerhalb des Gletscherskigebietes im Bereich Rettenbachferner auf bestehenden Pisten" erteilt worden war. Davon umfasst seien auch Maßnahmen im Bereich der bestehenden Weltcuppiste. "Abgetragene Schnee- bzw. Eisflächen sind im Anschluss an die Geländekorrekturen wieder aufzutragen", wurde betont. Die Sanierungsmaßnahmen müssten bis 31. Oktober 2024 abgeschlossen sein.

So sieht der Rettenbachferner aus dem Zielbereich aktuell aus
So sieht der Rettenbachferner aus dem Zielbereich aktuell aus © Greenpeace/Mitja Kobal

"Präparierte Gletscher sind besser geschützt"

Greenpeace würde "populistisch" agieren und böswillig einen "Missbrauch der Fakten" betreiben. "Ich wäre froh, wenn wir diese Sanierungsarbeiten nicht machen müssten. Sie kosten schließlich auch viel Geld", so der Bergbahnen-Geschäftsführer. Denn auch wenn man dies im "Mainstream" der veröffentlichten Meinung nicht wahrhaben wolle: Die Gletscher würden seit Anfang der 1980er-Jahre zurückgehen. Gleichzeitig würden aber nicht alle zurückgehen, auch das wolle man nicht wahrhaben, erklärte Falkner. Ebenso wenig wie: "Wir sind nicht die Verursacher dieser Situation. Wir sind kleine Spieler. Die Natur macht mit uns, was sie will." Das müsse man einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

Verwiesen wurde in diesem Zusammenhang auch auf Aussagen von renommierten Experten wie der Glaziologin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Andrea Fischer. Diese hatte im Frühjahr im APA-Interview betont, dass ein Skigebiet Schneeschmelze und vonstatten gehende Gletscherrückgänge nicht beeinflusse. Im Hinblick auf die Errichtung von Gletscherskigebieten sei das Argument des Gletscherschutzes obsolet geworden, weil man die Gletscher nicht mehr vor dem Menschen schützen könne. Ob man jetzt auf dem einen Gletscher Ski fährt oder nicht, sei für die "Existenz des Gletschers nicht lebensbedrohlich", hatte die Glaziologin gemeint und gleichzeitig effiziente Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels eingemahnt. "Präparierte Gletscher sind sicher besser als nicht präparierte Gletscher. Letztere sind weniger geschützt", argumentierte zudem Falkner.

Greenpeace schoss sich unterdessen auch auf den Internationalen Skiverband (FIS) ein. Schließlich sei der "Großevent" Sölden der Startschuss des von der FIS ausgetragenen Alpinen Skiweltcups. "Die FIS behauptet, klimapositiv zu sein und Nachhaltigkeit großzuschreiben. Die aktuellen Bilder belegen jedoch einmal mehr, dass hinter solchen Aussagen reines Greenwashing steckt", bemängelte Sprecherin Bittner.