Trocknet der Neusiedler See aus? Diese Frage wurde in den vergangenen Jahren immer wieder aufgeworfen. Fakt ist: Die Klimaerwärmung setzt dem Gewässer im Burgenland ordentlich zu. Im Oktober 2022 wurde mit 114,87 Metern über dem Meeresspiegel (Adria) der bislang niedrigste Wasserstand seit Beginn der Aufzeichnungen 1965 gemessen.
Als Ursache werden die ansteigenden Hitzetage und die fehlenden Niederschläge angeführt. Heuer sieht die Lage etwas besser aus, die Pegel haben sich erholt und scheinen stabil. "Das Meer der Wiener" ist gefragt. Das spiegelt sich auch in den Beliebtheitszahlen wider: Der See schaffte es im Vorjahr auf Platz drei der beliebtesten Seen Österreichs auf Social Media. Das ergab eine Analyse von Meta Communication.
Daher ist die Erhaltung des Sees ein großes Anliegen. 2001 wurde die Kulturlandschaft Fertő/Neusiedler See zum Unesco-Welterbe ernannt. Doch aufgrund baulicher Maßnahmen geriet der Status zuletzt in Bedrängnis. Daher wird sich im kommenden Oktober eine Unesco-Beratungsmission ("Advisory Mission") auf Einladung der österreichischen und ungarischen Kulturministerien ins Burgenland begeben. Dabei soll es auch um eine mögliche Aufnahme auf die Rote Liste der bedrohten Welterbestätten gehen. Das berichtet die Umweltorganisation "Alliance For Nature", die sich bereits selbst für die Eintragung in die Rote Liste ausgesprochen hat. Eine solche Ernennung würde weiterführende Hilfestellung der gesamten 194 Unesco-Mitgliedstaaten bedeuten.
Vier Gefahren für die Erhaltung der Welterbestätte
"Wir kämpfen gemeinsam mit Ungarn um den Neusiedlersee", sagt "Alliance for Nature"-Geschäftsführer Christian Schuhböck. Laut der Umweltorganisation ist das Unesco-Welterbe "Fertő-Neusiedlersee" derzeit vier Gefahren ausgesetzt: Einerseits die Verbauung des Seeufers durch Tourismusprojekte in Österreich und Ungarn (auch wenn das Großprojekt Fertőrákos derzeit stillsteht), andererseits das Hinzufügen von Fremdwasser aus der ungarischen Donau. "Die Donau weist kalkhaltiges Wasser auf, der Neusiedlersee eher weiches, salzhaltiges – da passt der Chemismus absolut nicht zusammen. Auch der WWF ist da dagegen", erzählt Schuhböck.
Ein weiteres Gefahrenmoment seien Trockenfallen – sprich der Gewässergrund liegt frei – durch übermäßige Entnahme von Grundwasser für die Landwirtschaft sowie die Beeinträchtigung durch den geplanten Windpark Neusiedl-Weiden. Die Windindustrieanlagen mit einer Höhe von 200 m bis 244 m würden zu nahe zum Unesco-Welterbe "Fertő-Neusiedlersee" errichtet werden, so der Geschäftsführer der NGO.
Welterbe bedeute nicht das "Ende jeglicher Entwicklung"
Der Welterbe-Titel des Neusiedlersees zeige die internationale und kulturelle Einzigartigkeit, sagt Patrik Hierner, der Geschäftsführer des Tourismusverbands Nordburgenland. Der "Advisory Mission" stehe er gelassen gegenüber, die Gefahr der Titelaberkennung sehe er nicht: "Wir sind überzeugt davon, dass im Burgenland alle größeren Infrastrukturprojekte sehr gewissenhaft auf ihre Welterbe-Verträglichkeit hin geprüft wurden und werden." Dazu gebe es strenge Vorschriften im Burgenland sowie die Bereitschaft der Stakeholder in der Region zum Schutz des Welterbes. Jedoch findet er auch klare Worte: "Eine Welterbe-Ernennung kann nicht das Ende jeglicher Entwicklung in dieser Region bedeuten." Im Anschluss an die Beratungsmission im Oktober wird ein Bericht verfasst, der bei der nächsten Sitzung des Welterbekomitees im September 2024 präsentiert wird. Dort entscheidet sich der Verbleib als Welterbe sowie die Aufnahme auf die Rote Liste.