Am Wiener Landesgericht ist am Mittwoch ein Schwurprozess um einen mutmaßlichen Mordversuch in einer U-Bahn-Garnitur fortgesetzt und abgeschlossen worden. Dem Angeklagten sei es "einfach um die Vernichtung des Gegenüber, das Ausleben der Aggressionen" gegangen, sagte der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann bei der Erörterung seines Gutachtens. Der Angeklagte bekräftigte dagegen in seinem Schlusswort: "Ich weiß hundertprozentig, ich wollte niemanden umbringen."

Äußerst brutale Tat

Der mehrfach vorbestrafte 21-Jährige hatte am 4. Jänner 2023 in der U3 einen 63 Jahre alten Fahrgast zunächst mit Faustschlägen ins Gesicht bewusstlos geschlagen, nachdem dieser ihn gebeten hatte, nicht so breit dazusitzen, um neben ihm Platz nehmen zu können. Danach sprang er dem hilflos am Boden Liegenden mit voller Wucht mehrmals gegen den Kopf und den Oberkörper, was Gerichtsmediziner Wolfgang Denk als "multiple, sehr heftige stumpfe Gewalteinwirkung" bezeichnete. Diese habe "durchaus lebensgefährliche Verletzungsfolgen" erwarten lassen. Das Opfer - ein 63 Jahre alter Trafikant - erlitt eine Gehirnerschütterung mit länger dauernder Erinnerungslücke, einen Bruch des Brustbeines, Brüche des rechten Schlüsselbeines und der ersten rechten Rippe, eine Fraktur des Nasenbeins mit Eindrückung des linken Anteils der Nasenbeinpyramide sowie Prellungen und Blutunterlaufungen im gesamten Kopf- und Gesichtsbereich.

Die Staatsanwaltschaft geht von - zumindest bedingtem - Tötungsvorsatz aus, wie Staatsanwältin Tatjana Spitzer-Edl in ihrem Schlussvortrag bekräftigte. Der Angeklagte sei auf den Mann gesprungen, "wie man einen Luftballon zerplatzen will". Damit habe er billigend den Tod des Opfers in Kauf genommen.

Fahrgast schritt ein

Der gegen den 63-Jährigen gerichtete Gewaltexzess hörte erst auf, als ein anderer Fahrgast eingriff und den Täter zur Seite schob. Das im Ermittlungsverfahren eingeholte psychiatrische Gutachten bescheinigt dem jungen Mann eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, so dass die Staatsanwaltschaft zusätzlich zur Verurteilung die Unterbringung des Angeklagten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt hat. Der 21-Jährige weise eine "schwere strukturelle Störung" auf, die "nachhaltig und anhaltend" sei, erläuterte der Sachverständige nun den Geschworenen. Der Mann sei zwar zurechnungsfähig, aber infolge seiner Persönlichkeitszüge derart gefährlich, dass ohne haftbegleitende therapeutische Maßnahmen nach seiner Entlassung "mit Kapitalverbrechen zu rechnen ist", stellte Hofmann klar. Der Angeklagte sei nach dem Motto "Jeder, der schräg schaut, kriegt eine ins Gesicht" vorgegangen. Zur Gewalttat in der U-Bahn meinte Hofmann, der 21-Jährige habe den Trafikanten "mundtot" machen und "völlig außer Gefecht setzen" wollen.

Die Gefahr, die von dem aus schwierigen familiären Verhältnissen stammenden Mann - er wuchs fremduntergebracht auf, hat keine Ausbildung abgeschlossen und war zuletzt ohne feste Bleibe - ausgeht, manifestiert sich auch darin, dass drei weitere Gewalttaten von der Anklage mitumfasst sind. Er hatte schon am 29. und am 31. Dezember aus nichtigem bzw. ohne erkennbaren Anlass zwei Männer mit Faustschlägen attackiert und beiden die Nase gebrochen. Der eine hatte ihm keine Zigarette gegeben, der andere war einfach an einer Bushaltestelle gestanden. Am 10. Jänner erschien er beim Arbeitsplatz seiner Ex-Freundin und verlangte eine Aussprache. Als ihn der Chef der Frau wegschickte, weil diese den 21-Jährigen nicht sehen wollten, bekam dieser einen Faustschlag ins Gesicht.

Der 21-Jährige ist übrigens in der U-Haft zum Islam konvertiert. Er soll sich mittlerweile abfällig über "Ungläubige" äußern.