Die Hochwassersituation wegen Starkregens in Tirol hat sich im Laufe des Montags zunächst verschärft, mit dem Nachmittag aber dann spürbar entspannt. Zwar kamen zwei Zivilschutzwarnungen für die Bezirksstadt Schwaz und Kramsach hinzu, ansonsten gab das Land aber am Nachmittag im Zuge einer Pressekonferenz großteils Entwarnung. Die Pegelstände an immer mehr Messstellen waren im Sinken begriffen, Sorge bereitete aber noch das Unterland.
"Wir sind offenbar mit einem blauen Auge davongekommen", erklärte LH Anton Mattle (ÖVP) bei dem kurzfristig anberaumten Pressegespräch im Innsbrucker Landhaus. Verletzte wurden bisher keine gemeldet. Schäden gab es vor allem in den Tälern wie dem Ötztal, dem Stubaital, dem Wipptal und dem Zillertal. Zu größeren Überschwemmungen in Orts- oder dicht bebautem Siedlungsgebiet aufgrund über die Ufer getretener Flüsse oder Bäche kam es bisherigen Informationen zufolge nicht. Man könne von einer "Entspannung" sprechen, meinte Mattle. Das Schlechtwetter bzw. die starken Regenfälle würden offenbar schneller "in Richtung Salzburg" abziehen, als ursprünglich angenommen. Der Starkregen habe großteils aufgehört. Die Verantwortlichen rechneten mit geringeren Niederschlägen für den Rest des Tages, detto für die Nacht auf Dienstag. Man müsse aber weiter vorsichtig sein.
Noch kritisch blieb die Lage am frühen Abend in Teilen des Unterlands - konkret in den Bezirken Schwaz und vor allem Kufstein bzw. von Hall in Tirol ostwärts bis zur Festungsstadt. Die Zivilschutzwarnung in der Stadt Schwaz, die Sicherheitslandesrätin Astrid Mair (ÖVP) verkündete, erfolgte in Form eines gleichbleibenden Dauertons mit der Länge von drei Minuten. Die Bevölkerung wurde damit unter anderem aufgefordert, allen voran in den hauptbetroffenen Bereichen in den Häusern zu bleiben und unnötige Fahrten und Spaziergänge zu vermeiden. Der Pegel-Höchststand der gesperrten Steinbrücke in Schwaz schien am Abend bereits erreicht, teilte das Land mit. In Kufstein wurde mit dem Höchststand des Inn im Laufe der späten Abendstunden gerechnet.
Zudem gab das Land per Aussendung bekannt, dass auch in der rund 5.000 Einwohner-Gemeinde Kramsach im Bezirk Kufstein - ebenfalls aufgrund steigender Pegelstände am Inn - eine Zivilschutzwarnung ausgelöst wurde. Diese betraf vor allem die Ortsteile Badl und Voldöpp sowie das Zentrum. In der Festungsstadt Kufstein selbst wurden - wie in Wörgl - vorsorglich Hochwasserschutzmaßnahmen getroffen. Auch hier stiegen die Pegelstände am Inn vorerst noch an bzw. blieben auf hohem Niveau. Sowohl in Kramsach und Wörgl als auch in Strass seien am Abend noch Überflutungen möglich.
Hauptbetroffen von der angespannten Hochwassersituation waren zunächst die Bezirke Imst, und dabei vor allem das Ötztal, sowie der Bezirk Innsbruck-Land gewesen. Besonders im Fokus: Der bekannte Wintersportort Sölden im Ötztal. Dieser war aktuell - nachdem die Ötztal Straße unterspült und beinahe weggerissen worden war - nicht mehr erreichbar. Laut Elmar Rizzoli, Leiter des Zentrums für Krisen- und Katastrophenmanagement des Landes, wurde am Nachmittag eine Luftbrücke organisiert - allerdings sei man in Sölden auf solche Situationen vorbereitet, merkte der Krisenmanager an. Die Krankentransporte seien jedenfalls im ganzen Land gewährleistet, wurde betont.
Auch im vorderen Ötztal stellte sich die Lage prekär dar: Die Ötztaler Ache war dort über die Ufer getreten. Im Tumpener Ortsteil Ried mussten 30 Haushalte mit rund 70 Personen evakuiert werden. Sie wurden im örtlichen Vereins- und Feuerwehrhaus untergebracht.
Ebenfalls stark betroffen war das Wipptal: "Einzig die Autobahn funktioniert ins Wipptal hinein", berichtete Mattle. "Die Bundesstraße ist zweimal vermurt worden und die Bahnstrecke ist gesperrt", ergänzte er. Auch im Pitztal dürfte es zahlreiche Schäden geben. Im Pitztal wiederum wurden in Jerzens einige Häuser evakuiert. Und im Stubaital trat die Ruetz an mehreren Stellen über die Ufer.
In der Landeshauptstadt Innsbruck hatte man sich am Nachmittag für den Ernstfall gerüstet. Weil die Pegelstände am Oberlauf des Inn bereits ein hundertjährliches Hochwasser erreicht hatten, wurde der "Sonderalarmplan Inn" für den Bereich Marktplatz bis zum Congress aktiviert. Die Feuerwehren richteten einen Hochwasserschutz ein, zahlreiche Brücken in der Stadt wurden gesperrt. Der Pegelstand der Sill stieg am Vormittag an und teilweise kam es zu Ausuferungen beim Rapoldipark. Bereits in den Morgenstunden wurden dort präventive Maßnahmen ergriffen worden. Seit den Mittagsstunden ging die Wasserführung der Sill aber deutlich zurück, auch beim Inn wurde nach 17.00 Uhr ein Wasserrückgang erwartet.
Der anhaltende Regen führte indes zu Straßen- und Bahnsperren. Die Brennerbahnstrecke wurde aufgrund eines Murenabganges zwischen Innsbruck und Brenner bis voraussichtlich Dienstagabend komplett gesperrt. Auf der Weststrecke ist zwischen Imst-Pitztal und Schönwies bis Dienstag, 18.00 Uhr, kein Zugverkehr möglich. In beiden Fällen wurde ein Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. Zwischen Innsbruck-Hötting und Innsbruck-Westbahnhof wurde die Mittenwaldbahnstrecke gesperrt. Die ÖBB ersuchten die Fahrgäste, auf das Öffi-Netz in Innsbruck umzusteigen.
Wegen der Errichtung von Hochwasserschutz wurde an der Grenze zu Deutschland in Kufstein eine Lkw-Blockabfertigung eingerichtet. Laut ÖAMTC war im Zillertal die Zillertal Straße (B169) zwischen Dornauberg und Dornau in Mayrhofen nicht befahrbar sowie die in Schwaz die Tiroler Straße (B171). Zudem war die Brenner Straße (B182) bei Gries am Brenner gesperrt.
Das Land Tirol appellierte unterdessen weiter an die Bevölkerung, "Abstand von Gewässern und überfluteten Flächen" zu halten. Rizzoli empfahl, "die Wettersituation laufend im Blick zu haben - vor allem in den betroffenen Gebieten - und die Pegelstände zu verfolgen". Diese können auf Hydro Online unter www.tirol.gv.at/hydro-online mitverfolgt werden.