Von "wirklich erfreulichen Nachrichten" spricht Umwelt- und Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne), von "bemerkenswerten Ergebnissen" Günther Lichtblau, Klimaexperte beim Umweltbundesamt (UBA). Anlass für die großen Worte: Österreichs Treibhaus-Gasemissionen sind im Vorjahr so weit abgesunken wie noch nie seit 1990. Um 6,4 Prozent bzw. rund 5 Millionen Tonnen an CO₂-Äquivalenten wurden 2022 in der Republik laut aktueller Nahzeitabschätzung ("Nowcast") des Umweltbundesamts weniger in die Luft geblasen als im Jahr davor. "Dieser Rückgang bringt uns erstmals auf Zielpfad für die EU-Klimaziele 2030", sagt Gewessler.
Das Land hielt demgemäß im Vorjahr bei einem gesamten Treibhausgasausstoß von rund 72,6 Millionen Tonnen. Ohne die Emissionshandelsbereiche (Industrie und Energiegewinnung) lag der Wert bei 45,9 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent. Beides sind die niedrigsten Werte seit Beginn der Detailaufzeichnungen.
Dass die Emissionen 2022 gesunken sind, hatten die Experten des Umweltbundesamts bereits zu Jahresbeginn verkündet, allerdings war damals noch von einem Rückgang von rund fünf Prozent die Rede, was mehr oder minder lediglich den Zuwachs des Jahres 2021 wettgemacht hätte. Dass es letztlich doch deutlich steiler nach unten ging (die Schwankungsbreite der vorläufigen Abschätzung liegt laut UBA bei maximal 0,5 Prozent), führt Lichtblau auf mehrere Entwicklungen zurück. "Eine Rolle haben natürlich die hohen Energiepreise gespielt, dann gab es auch einen milden Winter mit weniger Heizbedarf." Damit allein lasse sich der Rückgang aber nicht begründen. "Wir sehen auch, dass die einzelnen Klimamaßnahmen Wirkung zeigen", sagt Lichtblau.
Rückgang trotz Wirtschaftswachstums
Bemerkenswert ist, dass die Emissionen trotz Wirtschaftswachstums so stark gesunken sind. Das Bruttoinlandsprodukt hat 2022 um 4,9 Prozent zugelegt, während der Treibhausgasausstoß in allen Sektoren weniger geworden ist – ebenfalls eine Premiere. So ist beim Verkehr ein Minus von einer Million Tonnen CO₂-Äquivalent zu verzeichnen (auf rund 20,6 Millionen Tonnen). Ein starker Faktor dafür war freilich ein Einbruch beim Spritexport. "Österreich war 2022 ein Hochpreisland für Kraftstoffe, deshalb gab es weniger Tanktourismus aus dem benachbarten Ausland", sagt Lichtblau. Doch auch im Inland sind die Verkehrsemissionen gesunken. "Das führen wir auf die Preissignale an den Zapfsäulen zurück." Die Menschen sind verstärkt auf Öffis umgestiegen, auch die Elektromobilität hat zugelegt.
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Noch mehr, nämlich 1,4 Millionen Tonnen Treibhausgas, hat der Gebäudesektor im Vorjahr abgebaut. "Der Gasverbrauch ist zurückgegangen, es gab Initiativen, die Heizungen zu drosseln, dazu kam ein milder Winter", erläutert Lichtblau. Industrie und Energiegewinnung, die dem europäischen Emissionsrechtehandel unterliegen, stießen im Vorjahr indes um 2,1 Millionen Tonnen weniger Treibhausgas aus.
Plan für die nächsten Jahre
Diese Rückgänge haben Österreich erstmals nicht nur auf Kurs für das EU-Klimaziel gebracht (minus 48 Prozent bis 2030 im Vergleich mit dem Jahr 2005), sondern auch in den Zielpfad für die angepeilte Klimaneutralität bis 2040 einschwenken lassen. Damit das so bleibt, müssten in den kommenden Jahren allerdings andauernd ähnliche CO₂-Reduktionen verzeichnet werden. Mit den bisherigen Maßnahmen ist das jedenfalls nicht zu erwarten, wie erst im Juli eine Berechnung des Umweltbundesamts gezeigt hat. "Das ist ein Marathon, kein Sprint. Wir brauchen nun bis 2040 jedes Jahr festgesetzte Klimamaßnahmen", sagt Gewessler. Das umso mehr, als ein kälterer Winter und Rückgänge bei den Energiepreisen die Emissionen wieder zusätzlich befeuern würden, wie Lichtblau erläutert.
Das laufende Jahr stimmt die Fachleute jedenfalls vorerst optimistisch. Der Absatz bei Erdöl und Erdgas ist im Land weiter gesunken. Wie die Gesamtrechnung am Jahresende aussieht, lässt sich allerdings noch nicht sagen.