"Ich kann kaum hinschauen und bekomme Gänsehaut", erzählt die Oberösterreicherin Helga Grilnberger, wenn sie die Berichte rund um die Unwetter in der Steiermark und Kärnten verfolgt. Erinnerungen kommen hoch, denn Anfang Juni 2013 erlebte sie die Flutkatastrophe im oberösterreichischen Eferdinger Becken hautnah mit. Nachdem es tagelang geregnet hatte, stießen Hochwasserschutzmaßnahmen an ihre Grenzen. Die Donau und andere Flüsse gingen über und sorgten für Überschwemmungen, die statistisch betrachtet nur alle 300 Jahre vorkommen sollten.
Die Grilnbergers waren nicht nur von den Überschwemmungen betroffen, sondern auch von einer freiwilligen Absiedelungsaktion der Behörden. Wer in einer kritischen Zone wohnte, erhielt ein lukratives Förderangebot für eine Umsiedelung in eine Zone, wo das Risiko von Hochwässern geringer ist. Insgesamt bekamen die Besitzer 80 Prozent des gutachterlich ermittelten Zeitwertes ihres Gebäudes, 50 Prozent zahlte der Bund, 30 Prozent das Land.
900 Millionen Euro Schäden durch Hochwasser
Gleich nach dem Hochwasser war eine Umsiedlung noch kein Thema. "Im ersten Jahr haben wir versucht, alles wieder herzurichten", sagt Grilnberger. Nach ein paar Monaten gab es eine erste Versammlung und die Information, dass ihr Grund in einer Absiedelungszone liege. "Hätten wir vorher gewusst, was das bedeutet, hätten wir nicht so viel hergerichtet." In ganz Österreich entstanden damals Schäden von knapp 900 Millionen Euro, allein in den Donaugemeinden waren es laut "Oberösterreichischen Nachrichten" 76 Millionen.
Besonders stark von den Überschwemmungen betroffen waren Gemeinden wie Goldwörth oder Walding, wo die Grilnbergers in einem rund 500 Jahre alten Bauernhaus gelebt haben. Für bestimmte Gebiete wurde aufgrund der Gefahrensituation festgehalten, dass kein technischer Hochwasserschutz realisierbar sei, künftig könne nur noch ein passiver Hochwasserschutz garantiert werden. Dafür mussten Gemeinden als Überflutungsgebiet ausgewiesen werden, damit sichergestellt wird, dass dort keine neuen Häuser gebaut werden. Nach dem Hochwasser 2013 wurden im Eferdinger Becken 153 Haus- und Hofbewohnern Absiedelungsangebote übermittelt, 74 wurden angenommen.
"Einmal in der Generation hält man so ein Hochwasser aus"
"Wir sind geblieben", erzählt Johann Plakolm, Vater von Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) und Bürgermeister von Walding. Die Familie war grundsätzlich nicht abgeneigt, das Angebot anzunehmen, habe sich aber aus familiären Gründen dagegen entschieden, da der Sohn den Hof eines Tages übernehmen wolle. "Mein Vater hat immer gesagt: Einmal in der Generation hält man so ein Hochwasser aus. Das ist noch kein Grund davonzulaufen", so Bürgermeister Plakolm.
Fünf Jahre hatten die Betroffenen Zeit, das Angebot anzunehmen. Bei den Grilnbergers hat die Entscheidung zwei Jahre gedauert. "Nachdem wir zweimal ein Hochwasser mitgemacht haben und 1000 Schweine mit dem Boot retten mussten, haben wir entschieden: Wir gehen", so die Landwirtin. Wären sie geblieben, wäre beim nächsten Hochwasser keiner mehr gekommen, um zu helfen. Geld aus dem Katastrophenfonds würden sie auch keines mehr bekommen.
Wer allerdings bleibt, hat durchaus Konsequenzen zu tragen, etwa ein absolutes Bauverbot, erzählt Plakolm. Das bedeute, dass man die Außenwände nicht verändern, also nichts dazu oder in die Höhe bauen dürfe. "Damit wollte man wohl den Anreiz verstärken, abzusiedeln", mutmaßt der Bürgermeister. Auf einen Versicherungsschutz kann man nicht mehr hoffen.
Freiwilligkeit bei der Absiedelung wichtig
Plakolm und Grilnberger sind sich in einem Punkt einig: Die Freiwilligkeit bei der Absiedelung war sehr wichtig. Die Umsiedelung ging aber ins Geld. "Ohne Ersparnisse hätten wir uns den Neuaufbau des Hauses niemals leisten können, weil ja der Zeitwert berechnet wird", so Grilnberger. Die Landwirtin hätte sich mehr Informationen wie auch emotionale Unterstützung gewünscht. "Mit den Leuten zu reden, ist das Wichtigste."
Ob die Entscheidung zu bleiben richtig war, werden uns unsere Enkelkinder sagen", erklärt Plakolm. Er beobachte die Wasserstände genau. Auch lagert er nichts mehr im Keller – außer Most und Gemüse. Die Grilnbergers sind mittlerweile froh, abgesiedelt zu sein und wohnen heute einen Kilometer entfernt auf einem Berg. "Die Entscheidung zu treffen, war das Schwierigste. Wenn man sie getroffen hat, geht es wieder, weil man ein Ziel hat, auf das man hinarbeiten kann", so die Oberösterreicherin.
Sandra Czadul