Die katastrophalen Unwetterereignisse in der Steiermark und Kärnten, die Sicherheit am Berg, ein reibungsloser Flugverkehr oder die passende Kleiderauswahl – für all das braucht man verlässliche Wetterdaten. Doch bis sie im Fernsehen oder in Zeitungen erhältlich sind, muss ein weiter Weg zurückgelegt werden. Während Flugzeuge nur zwölf Kilometer hochfliegen, erreichen Wetterballone Höhen rund 30 Kilometern.
Für Wetterprognosen werden zwar auch modernere Methoden wie Satellitenbilder oder Bodenmessstationen genutzt. Wetterballone sind aber unerlässlich: "Nach wie vor gibt es noch keine Möglichkeit, Daten in der Atmosphäre in dieser Qualität und Höhe zu sammeln, wie es durch Wetterballone möglich ist", erklärt Roland Potzmann, Abteilungsleiter für Messtechnik und Datenerfassung bei GeoSphere Austria, der einstigen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) auf der Hohen Warte in Wien.
Weltweit heben alle Ballone zur gleichen Zeit ab
Dort heben jeden Tag zwei Wetterballone ab. Der erste startet im Sommer um halb zwei in der Nacht, der zweite um halb zwei am Nachmittag. Im Winter finden diese täglichen Rituale jeweils eine Stunde früher statt. Dabei orientieren sich die Forscher und Forscherinnen an der UTC, also der koordinierten Weltzeit, damit weltweit alle Ballone um die gleiche Uhrzeit abheben und die Daten vergleichbar sind.
"Es ist teuer, einen Wetterballon steigen zu lassen", sagt Potzmann. Pro Aufstieg entstehen Materialkosten von ungefähr 200 Euro. Denn für einen erfolgreichen Start braucht es folgendes: Einen Latexballon, Helium oder Wasserstoff als Füllung, eine lange Kunststoffschnur und eine Radiosonde. Diese bestimmt auf ihrem Weg Temperatur, Luftfeuchtigkeit und mittels GPS auch die Windrichtung und Windstärke.
Die rauen Bedingungen bringen den Ballon zum Platzen
Wenn der Wetterballon den Boden verlässt, hat er einen Durchmesser von ungefähr einem Meter zwanzig. Mit einer Geschwindigkeit von fünf bis sechs Metern pro Sekunde überwinden Ballon und Sonde die einzelnen Schichten der Atmosphäre. Das Ziel der Ballone ist die Stratosphäre. Dort gibt es kaum Luftfeuchtigkeit und Temperaturen von bis zu minus 60 Grad. "Das hält der Ballon aus", sagt Potzmann.
Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Denn mit jedem Meter Höhe nimmt der Luftdruck ab und das Gas im Ballon dehnt sich aus. Dadurch hat der Ballon am Höhepunkt seiner Reise einen Durchmesser von rund acht Metern. Bis er platzt. Meist nach rund zwei Stunden gibt das Material nach. Das könnte auch an der UV-Strahlung liegen, die in der Stratosphäre stärker ist, so Potzmann. Das hat auch Einfluss auf die Messungen. "Wir merken zum Beispiel, dass der Ballon in der Nacht, bei weniger UV-Strahlung, höher fliegt", erklärt der Meteorologe.
Die Daten werden weltweit geteilt
Während der Ballon unterwegs ist, nimmt er viele Daten auf, die pro Sekunde an die GeoSphere Austria gesendet werden. Eine Software schnürt dann Datenpakete, die mit Wetterdiensten auf der ganzen Welt geteilt werden. Damit Wissenschaftler in die Zukunft rechnen können, brauchen sie den Ist-Zustand der Atmosphäre, und den liefern die Wetterballone. "Ohne die Radiosonden würde es zu einer drastischen Verschlechterung der Prognosen kommen", sagt Potzmann.
Schlechtere Prognosen gab es auch während Corona. An Flugzeugen sind Sensoren montiert, die ebenfalls Daten aufnehmen. Während der Lockdowns sind die meisten Flugzeuge am Boden geblieben, die Datenquelle ist ausgefallen. Die Vereinigung europäischer Wetterdienste hat daraufhin einen europaweiten Aufruf gestartet, mehr Wetterballone starten zu lassen. Deshalb hat die GeoSphere Austria damals vier Wetterballone pro Tag in die Luft geschickt.
Das sind die Radiosondenjäger
Doch was passiert, wenn der Ballon geplatzt ist? Hier kommen die Radiosondenjäger ins Spiel. Das sind von der Funktechnik begeisterte Menschen, die Wetterballons ehrenamtlich aufsuchen und einsammeln. Bis zu 60 Menschen begeben sich regelmäßig mithilfe von GPS-Empfängern auf die Suche nach Sonden.
Einer davon ist Fritz Frede. "Bis vor einem Monat haben wir die Sonden noch als Sondermüll entsorgt. Mittlerweile haben wir eine Kooperation mit GeoSphere Austria und bringen noch funktionierende Sonden zurück", erzählt Frede. Ihm geht es nicht nur um die Technik, sondern auch um eine saubere Umwelt, denn in den Schnüren des Wetterballons können sich auch Vögel verheddern. In den letzten zehn Jahren hat das Team rund 1500 Sonden geborgen.
Dafür nehmen sie auch weitere Wege in Kauf. Denn die Ballone können bis zu 300 Kilometer weit fliegen. Wegen des starken Westwindes fliegt der Ballon meist Richtung Ungarn. Das ist auch der Grund, warum auf der Radiosonde ein kleiner Zettel klebt. Dort steht, dass die Sonde entsorgt werden soll. Verfasst ist diese Botschaft in Ungarisch, Deutsch oder Tschechisch, da die Wahrscheinlichkeit groß sei, dass Ballone in diesen Ländern landen.
Die gegenseitige Abhängigkeit von Daten
Weltweit starten an ungefähr tausend Standorten täglich zwei Wetterballone. "Je entwickelter und wohlhabender ein Land, desto dichter ist das Netz der Messdaten", erklärt Potzmann. In Afrika sei dieses relativ dünn. In Russland ist der Datenaustausch aber nach wie vor in Gange. "Das ist so, weil eine gegenseitige Abhängigkeit herrscht. Dort braucht man die Daten der Wetterballone auch", erklärt Potzmann.
Drohnen können in Zukunft laut Potzmann einen wichtigen Beitrag zu den Wetterprognosen liefern. Um eine Drohne aber so hoch fliegen zu lassen, brauchen sie viel Energie und dementsprechend große Akkus. "So weit ist die Technik in diesem Bereich noch nicht. An den Ballons wird sich also noch länger nichts ändern", sagt Potzmann.
Sandra Czadul