Stillen in der Öffentlichkeit bleibt ein Tabuthema. Eine aktuelle Umfrage eines Babyartikel-Herstellers im deutschsprachigen Raum unter mehr als 6400 Müttern ergab, dass zwei Drittel negative Reaktionen kennen. Vor allem in Lokalen, auf öffentlichen Plätzen, beim Einkaufen oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln haben viele ablehnende Erfahrungen gemacht. Ein "Stillsiegel" soll das Füttern von Babys normalisieren, hieß es bei einem Pressegespräch am Dienstag in Wien.
"Die Zahlen sollten uns als Gesellschaft zu denken geben", meinte Umfrage-Initiator Georg Ribarov, Market-Manager Österreich bei MAM Baby. "Stillen in der Öffentlichkeit ist nach wie vor ein polarisierendes Thema." So gaben 39 Prozent an, es unangenehm zu finden, in der Öffentlichkeit zu stillen. Anfeindungen, Kommentare oder Blicke kommen besonders häufig in Restaurants und Cafés vor, so die Erhebung.
Rauswürfe, Beschimpfungen, verweigerte Bedienung
Die geschilderten Erlebnisse gehen von abschätzigen Blicken bis hin zu unerwünschten Ratschlägen, Rauswürfen, Beschimpfungen oder übergriffigen Kommentaren, führte Ribarov aus. Bereits im Vorjahr hatte MAM in einer kleineren Studie belegt, dass Stillen in der Öffentlichkeit starke Reaktionen hervorruft, heuer wurde das Sample stark erweitert und es wurden konkrete Beispiele abgefragt. Stillende wurden demnach "auf die Toilette verdonnert", "von Männern angestarrt", "nicht bedient" oder auch des Lokals verwiesen.
Jedenfalls kennen mehr als zwei Drittel (67 Prozent) negative Erfahrungen, vor allem bei Tisch: Negative Spitzenreiter sind Lokale und Cafés mit 37 Prozent, gefolgt von öffentlichen Plätzen und Parks (30 Prozent) und Geschäften (12 Prozent). Jede Zehnte stillt nicht in der Öffentlichkeit, beinahe jede Fünfte (17 Prozent) vermeidet es nach Möglichkeit. 48 Prozent der Frauen suchen dafür wenig frequentierte Orte auf, 43 Prozent wählen Plätze, die nicht gut einsehbar sind.
Ergebnisse "schockierend"
Die eben gestartete Initiative "Stillsiegel" MAM Baby hat sich zum Ziel gesetzt, das Füttern der Babys in der österreichischen Öffentlichkeit zu normalisieren und stillfreundliche Orte zu schaffen. Betriebe, die hinter der "Stillcharta" stehen, sollen gleich beim Eingang zu erkennen sein. Die Charta umfasst fünf Eckpfeiler für ein sicheres und wertschätzendes Umfeld für alle Stillenden, Eltern und ihre Babys.
Hebamme Christina Ruthofer nannte die Ergebnisse "schockierend" und verwies auf die Tatsache, dass Bedürfnisse von Babys prompt und sehr oft am Tag befriedigt werden müssen. Das sorge für eine gesunde Entwicklung und Bindung. "Es ist eine Zumutung, dass sich Mütter öffentlichen Anfeindungen aussetzen müssen, wenn sie das Normalste auf der Welt machen: ihr Baby ernähren und es am Leben erhalten", sagte Ruthofer.
Siegel für stillfreundliche Orte
Gastronom Berndt Querfeld ist mit all seinen Betrieben gerne dabei: "Wir freuen uns, wenn schon bald das 'Stillsiegel' unsere Türen schmückt. Damit alle wissen, bei uns sind Babys jederzeit natürlich auch bei Tisch herzlich willkommen." Stillen solle allerorts akzeptiert sein. "Museen, Hotels, Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen sind herzlich eingeladen, sich der Initiative anzuschließen", betonte Ribarov.