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Spätestens seit der Proklamation der reproduktiven Rechte auf der Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo haben auch in Österreich alle Menschen das Recht zu entscheiden, wann, mit wem, ob und wie viele Kinder sie haben möchten. Um selbstbestimmte Entscheidungen in der Familienplanung treffen zu können, braucht es einen barrierefreien Zugang zu Verhütungsmitteln.


Während gratis Verhütungsmittel in fast allen nord- und westeuropäischen Ländern längst Standard sind, versagt die österreichische Politik hier komplett: In Österreich gibt es keine flächendeckende finanzielle Unterstützung. Mehr als die Hälfte aller Frauen und Männer in Österreich würden sich für eine andere Verhütungsmethode entscheiden, wenn die Kosten dafür übernommen werden würden. Langzeitverhütung ist zwar am sichersten, aber in der Anschaffung auch am teuersten. Für eine Kupfer- oder Hormonspirale muss man mit ca. 500 Euro rechnen.
Besonders armutsgefährdete und junge Menschen können sich adäquate Verhütung ohne finanzielle Unterstützung oft nicht leisten und werden wegen fehlender staatlicher Unterstützung in ihren Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt. Sie werden gezwungen, auf günstigere, ineffektivere Verhütungsmittel zurückzugreifen, egal ob diese für sie geeignet sind oder nicht. Oder sie müssen aufgrund der Kosten auf Verhütung ganz verzichten.


Die aktuelle Verhütungspolitik Österreichs begünstigt so ungeplante Schwangerschaften und dadurch auch Schwangerschaftsabbrüche. Denn Lebenssituation oder finanzielle Möglichkeiten von Menschen, die sich adäquate und sichere Verhütung nicht leisten können, ermöglichen oft keine (weiteren) Kinder.


Die Debatte über den Zugang zu gratis Verhütungsmitteln muss im gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden: Das selbstbestimmte Planen, ob, wann und wie oft man Kinder bekommt, ist für viele Menschen der effektivste Schutz vor Ausbildungsabbruch, Jobverlust und Armut. Selbstbestimmte Familienplanung wirkt sich erwiesenermaßen positiv auf Produktivität und Einkommensniveau eines Landes aus, ebenso wie auf Gesundheit, Bildung und das Einkommen in seiner Bevölkerung.
Die Entscheidung für einen kostenfreien Zugang zu adäquaten und sicheren Verhütungsmitteln ist gleichzeitig eine Entscheidung für ein nachhaltiges gesellschaftliches und wirtschaftliches Wachstum in Österreich.

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Verhütung ist keine Staatsaufgabe. Eigentlich ist Verhütung ein hochsensibles Thema, über das in der Gesellschaft nur wenig gesprochen wird. Doch bei der Finanzierung sind sich die meisten Menschen einig: am besten gratis und umsonst. Der Staat soll einmal mehr die Kosten übernehmen. Damit sind wir aber auf dem Holzweg.
In anderen Ländern wie Frankreich oder Italien ist es mittlerweile ganz normal, dass Verhütungsmittel (zumindest Jugendlichen) kostenlos zur Verfügung gestellt werden.


Und auch der Gesundheitsminister Johannes Rauch von den Grünen meinte zu Beginn des Jahres: „Ja, ich kann mir das durchaus vorstellen.“ Eine Machbarkeitsstudie, die Ende des Jahres veröffentlicht werden soll, soll die entsprechenden Potenziale aufzeigen. Ins Zentrum dieser Debatte werden vor allem junge und bedürftige Menschen gerückt. Die Pille oder Kondome seien in Österreich unverhältnismäßig teuer und müssten zumindest steuerlich begünstigt werden. Das Einsetzen einer Spirale sei für Frauen oft finanziell nicht denkbar.


Doch eine kostenlose Bereitstellung von Verhütungsmitteln schießt über das Ziel hinaus. Gratis ist die öffentlich finanzierte Kostenübernahme nämlich keinesfalls. Sie kostet einen Brocken Geld. Geld, das im Endeffekt von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern kommen muss, und zwar von allen. Eine zielgerichtete Unterstützung von Bedürftigen? Fehlanzeige.


Am Ende finden wir uns wohl in einem System wieder, in dem die Alten den Jungen die Kondome zahlen und die Jungen dafür im Gegenzug den Alten die Lesebrillen finanzieren. Wie wäre es, wenn jeder für sich zahlt und dann auch das Produkt wählen darf, das er wirklich möchte?
Überdies ist es nämlich höchst fragwürdig, dass in einer Gesundheitsdebatte die Kosten einmal wieder ganz oben auf der Agenda stehen. An die Stelle professioneller und individueller Beratung treten finanzielle Anreize, die die Nachfrage nach Verhütung und auch das gewählte Mittel aktiv steuern. Hier wäre es Zeit für eine Neuordnung der Prioritäten. Ein bestimmtes Verhütungsmittel sollte nicht nur gewählt werden, weil es eben gratis ist.


Auch wenn die Forderung nach gänzlich kostenlosen Verhütungsmitteln der herrschenden Anspruchsmentalität gegenüber dem Staat entspricht, sie wäre doch ein teures Vergnügen und würde im Gegenzug auch viele neue Ungerechtigkeiten schaffen.