Es ist die Zier vieler Speisekarten, vom Möbelhaus-Imbiss bis zum gehobenen Restaurant. Wer am Flughafen Wien auf sein Gepäck wartet, betrachtet es übergroß auf Plakaten. Und im Film Sound of Music besang es Julie Andrews – wenn auch mit Nudeln als fragwürdiger Beilage – und prägte damit die Österreich-Klischees auf der ganzen Welt. Das Schnitzel ist Teil der österreichischen Identität, wie Sisi und der Donauwalzer. Und so verkündete Bundeskanzler Karl Nehammer in der Debatte, was denn noch normal sei in diesem Land: "Es ist okay, wenn sich jemand entschließt, vegan zu leben. Aber es muss auch okay sein, wenn andere gerne Schnitzel essen."
"Warum ist ein Nahrungsmittel so tief im Herzen der Bevölkerung verankert?", fragt sich Philipp Sammern seit Jahren. Der Hobbykoch hat ein virtuelles Schnitzelmuseum ins Leben gerufen, aus Heimweh, als er in Deutschland gelebt hatte. Gesammelt werden etwa Schnitzel-Referenzen in der Kunst. "Wenn es in einem Artikel um die Preise in der Gastronomie geht, sieht man auf dem Bild ein Schnitzel", sagt Sammern. Und eine Installation von Ken Lum am Karlsplatz zähle die in Wien verzehrten Schnitzel – nicht die Kaiserschmarrn-Portionen, nicht die Käsekrainer am Würstelstand.
Vom "eingebröselten Schnitzel" zum Wiener
Seinen Anfang nahm der panierte Nationalstolz im 18. Jahrhundert. Schon damals wurde paniertes Fleisch in Schmalz gebacken, weiß die Autorin und Historikerin Ingrid Haslinger, die sich intensiv mit der Entwicklung der Wiener Küche beschäftigt hat.
"Österreich hat eine Tradition des Schmalzgebackenen", sagt sie. Denn das ließ sich auch mit den damaligen, relativ primitiven Kochmöglichkeiten gut zubereiten. Gekocht wurde lange im Topf über dem offenen Feuer. In den 1840er-Jahren schwärmte der spätere Kaiser Franz Joseph in seinen Tagebüchern vom Geschmack des Schnitzels. "Wiener Schnitzel" habe die Speise allerdings erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts geheißen, davor war beispielsweise vom "eingebröselten Schnitzel" die Rede. Unwahr sei laut Haslinger jedenfalls die Legende, wonach Feldmarschall Radetzky das Schnitzel aus Italien mitgebracht habe. Die Österreicher haben ihr Nationalgericht also ganz alleine erfunden.
Pommes und Reis statt Erdäpfelsalat
In der Nachkriegszeit erlebte das Schnitzel einen weiteren Höhenflug – dabei büßte es allerdings viel seines ursprünglichen Charmes ein. Der Erdäpfelsalat, der sich seit Ende des 19. Jahrhunderts als idealer Begleiter etabliert hat, wurde durch sättigende, einfach herzustellende Beilagen wie Kartoffeln, Reis oder auch Pommes Frites ersetzt. "Wenn man das Gehirn einschaltet, ist das ein Blödsinn", sagt Haslinger. Viel zu trocken seien Reis und Pommes zum Panierten. Vor allem aber kamen zunehmend Schweinefleisch und Geflügel zum Einsatz – Wiener Schnitzel darf das Gericht dann allerdings nicht heißen, denn dieses hat per Definition aus Kalbfleisch zu bestehen.
Damit ist auch eines der bekanntesten Schnitzel des Landes kein "Wiener": Seit jeher serviert das Gasthaus Figlmüller Schweineschnitzel. "So wie wir es zubereiten, wird es damit am saftigsten", sagt Geschäftsführer Harald Prochazka. Mittlerweile steht aber auch das Kalbswiener auf der Speisekarte – und seit 2020 auch ein veganes Schnitzel.
Auch Veganer essen gerne Schnitzel
Denn auch Veganer mögen Schnitzel. Das weiß Karl Schillinger, Gründer der veganen Burger-Kette Swing Kitchen. Eine fleischlose Schnitzelsemmel darf auf der Speisekarte nicht fehlen. Zunächst hätten seine Frau und er in ihrem ersten Gasthaus "klassische" vegane Küche angeboten. Der Erfolg habe sich aber erst eingestellt, als Irene Schillinger ein veganes Cordon bleu kreiert hatte. "Die meisten haben Sehnsucht nach dem, was sie bei der Oma gegessen haben", sagt Schillinger. "Aber eben ohne Tierleid."
Aber was ist das Geheimnis jenes Gerichts, das die Österreicher so lieben, dass es sogar zum Auslöser innenpolitischer Debatten werden kann? Laut Hobby-Koch Sammern seien das zarte Fleisch und die knusprige Panier "eine geniale Kombination". "Der Geruch von Frischgebackenem ist einfach anregend", fügt Prochazka hinzu. Die Aufregung um die "normalen" Schnitzelesser sieht er allerdings gelassen. "Das Normalste ist, dass jeder isst, was er will."