In seiner aktuellen Entscheidung in Bezug auf die niederösterreichische Fischotter-Verordnung 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) laut einer Aussendung des WWF klargestellt, dass anerkannte Umweltschutz-NGOs grundsätzlich bereits an Behördenverfahren, in denen Normen des EU-Umweltrechts betroffen sind, beteiligt werden müssen. Zudem muss es einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz geben, Verordnungen zur Tötung von Wolf & Co. wären nicht rechtskonform.
Denn der VwGH-Entscheid gelte auch in Verfahren zu Verordnungserlassungen, wie etwa aktuell jene zur Tötung von Wölfen, womit die Entscheidung weitreichende Folgen für die zuletzt zahlreichen Verordnungen zur Tötung streng geschützter Arten habe, schrieb der WWF und nannte zusätzlich auch Fälle zu Biber und Fischotter in mehreren Bundesländern. "Das ist ein Meilenstein für den bröckelnden Artenschutz in Österreich und ein klares Signal für eine rechtskonforme und lösungsorientierte Politik in den Bundesländern", sagt Christian Pichler, Artenschutzexperte beim WWF Österreich. Jedoch sind die zuletzt ausgesprochenen Verordnungen dadurch nicht automatisch außer Kraft gesetzt, präzisierte WWF-Sprecher Nikolai Moser gegenüber der APA.
WWF fordert Kurswechsel der Landesregierungen
Die Aarhus Konvention stellt klar, dass Umweltschutzorganisationen nicht nur das Recht haben müssen, in die Entnahmeverfahren von streng geschützten Tierarten eingebunden zu sein, sondern diese auch auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht überprüfen zu lassen. Durch die Verordnungen wurde das Beschwerderecht zuletzt ausgehebelt. Die Organisationen WWF Österreich und Ökobüro – Allianz der Umweltbewegung haben sich daher mit einer außerordentlichen Revision an das Höchstgericht gewandt.
"Das Erkenntnis ist angesichts des seit Jahren laufenden Vertragsverletzungsverfahrens in Zusammenhang mit der Umsetzung der Aarhus Konvention in Österreich keine Überraschung. Umgehungskonstruktionen wie die Verordnungspraxis im Artenschutzrecht wurden zuletzt von der Europäischen Kommission explizit gerügt", erklärte die Umweltjuristin Lisa Schranz von Ökobüro.
"Kämpfen schon seit Jahren vor Gericht"
Anlässlich dieser Entscheidung fordern WWF und Ökobüro daher einen Kurswechsel jener Landesregierungen, die derzeit den Abschuss von europarechtlich geschützten Arten mittels Verordnung erlauben und dabei Einwände von Umweltschutzorganisationen erst gar nicht zugelassen haben. "Schon seit Jahren kämpfen wir vor Gericht für EU-rechtlich geschützte Tierarten, die sich inzwischen in Österreich wieder etablieren", sagte Pichler. Die rechtlichen und fachlichen Kritikpunkte liegen in den meisten Fällen bereits als Stellungnahmen von WWF und Ökobüro bei den zuständigen Behörden und Gerichten.
Die beiden NGOs fordern nun eine vollständige, rechtskonforme Umsetzung der Aarhus-Konvention in den Bundesländern und eine Rückkehr zur strengen Auslegung der Ausnahmetatbestände vom strengen Schutz. "Generell stellt eine Verordnung keine korrekte Rechtsform für die Entnahme nach den Vorgaben des Unionsrechts dar. Für die Entnahmen fehlt eine europarechtlich verpflichtende Einzelfallprüfung durch die Behörde", so die Umweltjuristin Schranz.
Ball sei nun bei den Landesregierungen
Im Gespräch mit der APA erläuterte Schranz die rechtlichen Folgen des VwGH-Spruchs, die den NGOs die Möglichkeit bieten, sich bei Verordnungen nun aktiv an die jeweiligen Landesverwaltungsgerichte wenden zu können, um diese auf Konformität mit dem Unionsrecht prüfen zu lassen. Zuvor seien jedoch die dahin gehenden Bedenken den zuständigen Landesregierungen per Stellungnahme zu melden. Ohnehin sieht Schranz den Ball jetzt bei den Landesregierungen, die angesichts des VwGH-Entscheids von sich aus den rechtskonformen Weg wählen sollten.
Dieser liegt in der vollständigen Umsetzung der Aarhuskonvention und ihrer drei Säulen. Hier offenbart sich auch eine zweite Möglichkeit, denn seit 2014 läuft ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen der Säumigkeit in dieser Causa. "Wenn dieses Verfahren zu einem Urteil führt, sind tägliche Strafzahlungen die Folge", sagte die Umweltjuristin - und deren beträchtliche Höhe könnte ebenfalls zu einem Umdenken führen. Die außerordentliche Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde durch den "BIV – Grün-Alternativer Verein zur Unterstützung von Bürger:inneninitiativen" unterstützt.