Ein besonders spektakulärer Fall einer mutmaßlich plagiierten Doktorarbeit beschäftigt das Land Tirol und hat nun zur Abberufung des Technikvorstands der Zillertaler Verkehrsbetriebe geführt. Helmut Schreiner wird vorgeworfen, erst jahrelang zu Unrecht einen Doktortitel geführt und dann eine komplett abgeschriebene Dissertation eingereicht zu haben. Schreiner war zuerst beurlaubt worden, nun werde auch sein Dienstverhältnis als Geschäftsführer der Achenseebahn fristlos aufgelöst, wie der Tiroler Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ) gestern sagte.

Dissertation einfach übersetzt

Unter Beschuss geraten war Schreiner bereits vergangene Woche wegen eines seit 2019 geführten Doktortitels, der auch in seinem Reisepass eingetragen war. Der Verkehrsexperte musste einräumen, den entsprechenden Abschluss an der Uni Innsbruck nie gemacht zu haben.

Gleichzeitig verwies er allerdings auf ein zwischenzeitlich abgeschlossenes Studium an der Universität Riga, für das nur noch die Verleihung der Doktorwürde fehle. Die von Schreiner an der lettischen Uni eingereichte Doktorarbeit kam wiederum dem als „Plagiatsjäger“ bekannten Salzburger Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber verdächtig vor, der eine Prüfung startete.

Laut „Tiroler Tageszeitung“ hat Schreiner offenbar eine bereits bestehende, vor drei Jahren an der Technischen Hochschule Aachen genehmigte Dissertation einfach ins Englische übersetzt bzw. übersetzen lassen. Danach habe der Tiroler die im Original erwähnten deutschen Städte und Gemeinden kurzerhand mit Orten im Zillertal ausgetauscht. Vom Inhaltsverzeichnis über den Forschungsgegenstand und die Analysen bis zu den vermeintlichen Interviewpartnern sollen die beiden Arbeiten ident sein. Auch die Zillertalbahn als künftige „Wasserstoffbahn“, als dessen Verfechter Schreiner gilt, ist Thema „seiner“ Doktorarbeit.

"Plagiatsjäger" entdeckte die Fälschung

Auf die Schliche kam Schreiner der als "Plagiatsjäger" bekannte Salzburger Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber. Dieser hatte "über Umwege", wie er sagte, ein Exemplar erhalten, nachdem Schreiner selbst die neue Dissertation aus Riga an eine Teilöffentlichkeit disseminiert habe, um seinen Anspruch auf den Doktortitel nach den ursprünglichen Vorwürfen nachzuweisen. Dabei stieß Weber auf Ungereimtheiten im empirischen Teil bei Schreiners Interviewpartnern.

Weber spricht von einem „schwerwiegenden Fall von Wissenschaftsbetrug, der alle Formen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens auf einmalige Weise in sich vereint“. ÖVP-Wirtschaftsbundobmann und Zillertalbahn-Aufsichtsratschef Franz Hörl zeigte sich „zutiefst überrascht und konsterniert“. Um weiteren Schaden abzuwenden, werde nun ein Schlussstrich gezogen. Trotzdem wolle er klarstellen, dass Schreiner „einwandfrei gearbeitet“ habe: „Daher und auch aus Respekt vor seinem Umfeld lehne ich überschießende Muskelspiele ab. Niemand muss jetzt ein Exempel statuieren."